0750 - Ich bin dein Henker, Sinclair!
floh.
Damit hatte Maitland nicht gerechnet. Er war davon ausgegangen, dass beide Männer zu entsetzt waren, um überhaupt an Flucht zu denken. Es wollte ihm nicht in den Kopf, und für wenige Sekunden zeigte er sich irritiert.
Gläser rannte weg.
Maitland schrie ihm etwas nach, doch der Mann hörte und gehorchte nicht. Er wäre ihm zu gern nachgelaufen, aber er musste Wehner und den Sarg unter Kontrolle halten.
Maitland schaute auf Wehner. Eine Statue, ein erstarrter Mensch, der überhaupt nichts begriff. Der Mann schaute nur in Richtung Eingang und auf den Rücken des fliehenden Willi Gläser.
»Willi, du…«
Gläser hörte nicht. Außerdem war Wehners Ruf nicht laut genug gewesen. Er verschwand Sekunden später nach draußen, und Maitland stieß einen wütenden Fluch durch die Zähne.
Allmählich begriff auch Horst Wehner, dass es für ihn gefährlich war, noch länger in Maitlands Nähe zu bleiben. Bei ihm war die Schale der Angst aufgerissen, und er kümmerte sich nicht mehr um das, was da aus dem Sarg kletterte, er wollte erst gar nicht hinschauen, sondern sah, wie sich Maitland um die Kiste herum bewegte und auf ihn zukam. Wieder ging er so lautlos, als würde er schweben.
Seine Augen waren starr auf Wehner gerichtet. Der Mund des Mannes war verzogen und zeigte etwas von dem Hass, der in ihm steckte.
»Ich werde ihn zurückholen!« keuchte er. »Du bleibst hier! Rühr dich nicht von der Stelle.«
Wehner schluckte. Er konnte nicht antworten, nur nicken.
Maitland eilte er auf die Tür zu. Dabei wehte der Mantel hinter ihm hoch, und wieder dachte Horst Wehner an die Figur des Dracula. Der war in einer ähnlichen Pose durch sein Schloss geeilt.
Maitland riss die Tür auf.
Das Geräusch eines startenden Motors drang bis in die Schlosshalle hinein. Willi hat es geschafft, dachte Wehner. Verdammt, er hat es gepackt. Und ich stehe noch hier.
Vergessen waren Maitlands Drohungen. Jetzt wollte er auch weg.
Aber wohin? Er drehte sich um.
Da sah er zum ersten Mal mit eigenen Augen, was da aus dem Sarg stieg…
***
»Komm schon, komm schon!«, keuchte Willi Gläser. Er sprach mit dem Wagen wie, zu einem Freund. »Los, du musst es schaffen! Du darfst mich nicht im Stich lassen…«
Und das Fahrzeug gehorchte. Zwar schwerfällig und auch widerwillig, aber es kam voran. Seine mächtigen Räder wühlten sich tief in den Boden, sodass Staubwolken an den Seiten in die Höhe stiegen.
Willi fuhr nicht glatt und sicher. Das Fahrzeug hatte seine Tücken.
Es bockte, und Willi Gläser wurde zum ersten Mal mit der schwergängigen Lenkung konfrontiert. Es gelang ihm kaum, den Lkw herumzubekommen. Zudem zitterten seine Arme, was sich auch bis in die Hände bemerkbar machte.
»Komm schon!«, keuchte er. »Verdammt noch mal, komm! Du darfst mich jetzt nicht im Stich lassen!«
Der alte Russenwagen gehorchte schwerfällig. Obwohl Gläser die Lenkung so weit wie möglich eingeschlagen hatte, war der Bogen sehr groß, den der Wagen nahm. Aber Gläser gab nicht auf, er wollte es packen und machte verbissen weiter.
Der Flüchtende hatte die Kurve schon fast hinter sich, als ihm einfiel, dass er die Scheinwerfer noch einschalten musste.
Vor ihm wurde es heller. An der linken Seite stärker als an der rechten, weil beide Scheinwerfer nicht mit voller Kraft leuchteten.
Die Strahlen stießen in die graue Dämmerung hinein und überschütteten das in der Nähe stehende Buschwerk mit ihrem fahlen Glanz, worüber Gläser erschrak, weil er für einen Moment den Eindruck hatte, von starren Gespenstern umgeben zu sein, die sich jedoch zurückzogen, als er die Richtung änderte und direkt auf die Einmündung des Weges zusteuerte.
Nun begann seine eigentliche Flucht.
Er schaute kurz hoch zum Himmel. Dunkel lag er über ihm. Nur wenige helle Streifen durchzogen noch die schiefergraue Fläche, der letzte Gruß des entschwindenden Tages.
Er lachte plötzlich. Er weinte, er freute sich, dann dachte er an Horst Wehner, und der kalte Zorn stieg in ihm hoch. Er hatte Horst allein und im Stich gelassen, das aber wollte er wieder gutmachen.
Im nächsten Ort musste er Hilfe holen, seine Aussagen zu Protokoll geben oder Hilfe herbeitelefonieren.
In seinem Kopf drehten sich die wilden Gedanken, während er das Lenkrad festhielt und nach vorn durch die Windschutzscheibe stierte, denn nun verengte sich der Weg, und es tauchte bereits die erste Serpentine auf.
Gläser fuhr zu schnell. Er bekam das Lenkrad kaum herum, der Wagen bewegte sich
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