0754 - Als Carmen sich die Köpfe holte
verschrieben hatte. Man wunderte sich nur wegen anderer Dinge. Daß sie nicht verheiratet gewesen war, zum Beispiel.
Das Plateau war groß und weit. Es verschmolz im Westen mit den Bergen, es war wie ein flacher Teller, immer den Winden preisgegeben, im Sommer der Hitze und im Winter der trockenen Kälte, die manchmal widerlich sein konnte.
Das hier war nicht das Spanien der Touristen, hier konnte ein Fremder das echte Land erleben, aber wer von den Touristen wollte das schon? Die interessierte zumeist nur die Ostküste, und Carmen sah dies nicht als einen Nachteil an.
Sie schritt über das glatte Steinfeld. Der Mond stand knallhart über ihr. Er schaute nicht freundlich auf sie nieder, sondern kalt und abweisend. Sein Licht hatte einen bläulichen Schimmer bekommen, von Romantik keine Spur, aber für Wesen, die sie jagte, war das Licht genau richtig. Deshalb ging sie auch davon aus, daß sie in dieser Nacht Erfolg haben würde.
Bei ihrem weiteren Weg sah es aus, als würde sie kleiner werden. Das stimmte nicht, es waren nur die Ruinen, die jetzt in ihrer Nähe hochwuchsen und davon in etwa zeugten, wie mächtig die Festung einmal gewesen war.
Die Mauerfragmente wirkten wie unheimliche Wächter. Die zwei Türme der Festung waren eingefallen, und ihre Reste lagen verstreut auf dem Plateau.
Trockenes Gestrüpp wuchs aus zahlreichen Spalten und Rissen hervor. Manchmal schmiegte es sich auch gegen die Felsen. Jetzt im Mai sah es noch nicht so verdorrt aus, das würde in wenigen Wochen anders sein, wenn die große Trockenheit begann.
Es gab nicht nur den sichtbaren Teil der Festung. Ein unsichtbarer war ebenfalls vorhanden, doch ihn kannten nur Eingeweihte. Carmen zählte sich dazu, obwohl ihr die gesamten Ausmaße der unterirdischen Kavernen und Gänge nicht bekannt waren. Da hätte sie Monate gebraucht, um sie zu durchforsten. Die Mauren hatten sich damals sehr viel Mühe gegeben, diese gigantische Anlage zu errichten.
Zu den Kavernen gab es mehrere Einstiege. Diese dienten auch gleichzeitig als Schlupflöcher, und darauf lauerte Carmen Cavallo. Sie selbst wollte nicht unbedingt in die unterirdische Welt hineintauchen. Sie gab zu, Angst zu haben, nicht vor den Geschöpfen, sondern vor den Kavernen selbst, denn sie waren im Laufe der Zeit doch sehr brüchig geworden.
Sich selbst hatte sie manchmal den Namen Salome gegeben, denn auch diese Frau hatte damals Köpfe gefordert. Vor allen Dingen den des Johannes.
Alte Pläne oder Zeichnungen besaß Carmen von der Festung leider nicht. Sie hatte sie auf eigene Faust erkunden müssen und war schon sehr zufrieden mit dem Ergebnis.
Im Schatten eines hohen Felsens, der aussah wie ein schiefer Turm, ließ sie sich nieder. Das war ihr Lieblingsplatz, hier hockte sie und wartete.
Manchmal vergingen Stunden, bis sie einen Erfolg verzeichnen konnte. Es war aber auch möglich, daß die Bestien bereits nach ein paar Minuten angelockt wurden.
Aber sie hatte Zeit.
Das Schwert legte sie neben sich. Seine Klinge glänzte in der Dunkelheit wie ein silbriges Band, über das blaue Schimmer hinwegliefen. Das Mondlicht schien in einem schrägen Winkel auf die Anlage nieder und bedeckte sie mit einem fahlen, kalt wirkenden Schleier, als wollte es all diese Dinge einpacken.
Kein Lächeln zeichnete ihr Gesicht. Carmen saß auf der Stelle wie eine Statue und schien selbst zu einem Felsen geworden zu sein.
Zeit verging.
Sie wartete und lauschte.
Nach ungefähr einer halben Stunde sie war völlig in diese Umgebung aufgegangen - rührte sie sich wieder. Bisher hatte sie keinen Erfolg gehabt, aber das konnte sich ändern.
Sie hob das Schwert an und führte die Klinke vorsichtig gegen ihren linken Handballen.
Als das Metall das Fleisch berührte, da merkte sie für einen Moment die Kälte. Die dann verging, als sie den Handballen an der scharfen Schwertseite hochführte und sich in das Fleisch hineinschnitt. Eine Wunde blieb zurück.
Sie legte die Klinge wieder zur Seite und hob die Hand an, bis sich diese dicht vor ihren Augen befand. Carmen schaute auf das Blut, das aus der Wunde quoll und schräg über den Handballen hinweg auf das Gelenk zulief.
Sie hatte sich nicht bewegt, war beim Schnitt nicht einmal zusammengezuckt, schaute gegen das Blut und vermeinte auch, seinen Geruch wahrnehmen zu können.
Wenn sie es roch, dann rochen es die anderen auch. Dann würden sie aus ihren Verstecken getrieben werden und kommen. So und nicht anders sollte es sein.
Carmen Cavallo saß da, als
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