0754 - Als Carmen sich die Köpfe holte
Körper, die nicht mit einer kalten Schweißschicht bedeckt war. Vom Hals bis zu den Zehen war sie darin eingepackt.
Carmen wußte aus Erfahrung, daß dieser Zustand nie sehr lange anhielt. Sie erholte sich immer schnell, aber er traf sie jedesmal so verflucht intensiv, und das konnte sie eben nicht verhindern.
Ihr Atem ging schwer, sie keuchte, und der widerliche Geruch hörte auch nicht auf. Er dampfte ihr förmlich entgegen, so daß sich ihre Übelkeit noch einmal steigerte.
Das war ihr noch nie passiert.
Carmen mußte würgen. Die Luft kam ihr vor wie stinkender Brei. Der Wind brachte weder Kühle noch Klarheit. Etwas stimmte hier überhaupt nicht mehr.
Sie stieß sich ab, drehte sich um - und schrie auf, als sich altes Gestrüpp in ihre rechte Schultern klammerte. Jedenfalls hatten sich die zähen Finger so angefühlt.
Da war noch ein zweiter!
Sie hatte diesen Gedanken kaum beendet, als sie das verunstaltete Gesicht des Wesens wahrnahm.
Aus dem offenen Mund drang ihr der Modergestank in Schüben entgegen.
Der Untote beugte seinen Kopf vor. Die Zähne sah sie genau, sie waren nahe, schon zu nahe.
Er wollte zubeißen.
In diesem Augenblick dachte Carmen Cavallo nicht an ihr Schwert, sondern nur daran, den Vampir aus ihrer Nähe zu bekommen. Sie duckte sich und rammte ihren Kopf vor.
Mit der Schädelplatte erwischte sie den uralten und halb verfaulten Vampir an der Brust.
Irgendwo in seinem Körper knisterte und krachte es. Das war für Carmen nicht das Wichtigste, sie freute sich darüber, mit welch torkelnden und unsicheren Bewegungen der untote Blutsauger zurücktaumelte und dann zu Boden ging.
Dort blieb er hocken.
»Bastard!« keuchte Carmen. »Verfluchter Bastardo!« Sie packte den Schwertgriff mit beiden Händen und hob die Arme an. In ihr steckte eine unheimliche Wut, die schon mit einer lodernden Flamme zu vergleichen war. Nie zuvor waren ihr in einer Nacht zwei dieser Vampire auf einmal begegnet, und sie dachte daran, daß sich der alte Maurenfluch ausbreitete.
Der Blutsauger wollte aufstehen.
Seine Bewegungen wirkten lächerlich, sie waren auch sehr langsam, und Carmen brauchte sich nicht einmal zu beeilen. Sie ging mit festen Schritten auf ihn zu.
Ihr Atem zischte dabei durch die Zähne. Der Blick war kalt, als wären die Pupillen noch einmal nachgeschliffen worden.
Dann war sie da.
Und sie schlug zu.
Diesmal schrie sie. Sie bewegte sich fast wie ein Golfspieler, als die Waffe in einem Bogen nach unten raste und den Kopf vom Körper trennte.
So mußte es sein.
Nur auf diese Art und Weise konnte sie die alte, untote Maurenbrut vernichten.
Auch dieser Schädel wurde von dem Schwung des Schlages weitergetragen und von den knorrigen Zweigen eines Gestrüpps aufgefangen.
Carmen ging nicht hin. Sie war auf der Stelle stehengeblieben und hatte das Schwert sinken lassen.
Mit offenem Mund saugte sie die Luft ein, atmete stockend und dachte daran, daß es jetzt längst nicht mehr so stank wie noch vor wenigen Sekunden.
Zwei auf einmal.
Es war ein Erfolg gewesen wie keiner zuvor. Dennoch konnte sie sich nicht so recht darüber freuen, weil Carmen einfach nicht wußte, wie viele dieser Bestien sich noch in der unterirdischen Welt versteckt hielten und darauf lauerten, an Menschenblut heranzukommen.
Königin, Richterin und Henkerin - sie war alles in einer Person. Dies zu wissen, tat ihr gut. Es half ihr dabei, die Reaktion nach der Vernichtung in die richtigen Bahnen zu lenken. Sie mußte sich selbst aufbauen und, sich immer wieder vorhalten, wie gut sie war. Wenn sie das nicht tat, bestand die Gefahr, daran zu zerbrechen.
Aus diesem Grunde schlug sie analog zu ihren Gedanken mit der Klinge durch die Luft. Sie lauschte dem Fauchen, das sie an eine schaurige Musik erinnerte, die sie beruhigte und aufpeitschte zugleich.
Wo zwei Vampire waren, konnten auch noch mehr sein. Diesen klaren Gedanken faßte Carmen, als sie das Schwert sinken ließ und sich umschaute. Sie kam sich vor wie auf einer gewaltigen Freilichtbühne, auf der die Akteure ihren Platz verlassen hatten, weil der Vorhang gefallen war. Nur sie blieb noch zurück.
Der Mond stand wie ein vereinzelter Scheinwerfer am nachtblauen Himmel. Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Du hast nicht gewonnen!« rief sie ihm entgegen. »Du hast sie nicht so stark werden lassen, als daß sie mich hätten töten können. Das weißt du genau, und ich bin es, die sich darüber freuen kann.«
Niemand hörte sie. Ihre Stimme verhallte, bevor sie
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