0757 - Welt ohne Menschen
Bild einer verlassenen Stadt in sich aufzunehmen.
Denn Tiahuanaco war eine verlassene Stadt.
Eine Geisterstadt!
Alaskas Blicke wanderten die Häuserreihen entlang. Vergeblich suchten sie nach einer menschlichen Bewegung. Zum Teil waren vor den Gebäuden bereits kleine Dünen aus rotem Sand aufgeweht. Ein paar verlassene Fahrzeuge standen herum. Sie sahen aus, als seien sie gerade erst von ihren Besitzern verlassen worden. Unmittelbar vor Alaska hatte sich ein schweres Transportfahrzeug mit der Schnauze in die Auslage eines Elektrogeschäfts gebohrt. Das Frontfenster des Wagens war geborsten, roter Sand lag auf den Polstersitzen.
Alaska warf einen Blick in das Elektrogeschäft. Dort standen die Gebrauchsartikel unangetastet auf den Regalen. Es gab wertvolle Geräte darunter, aber es gab offenbar keine Plünderer, die sich dafür interessiert hätten.
Alaska vermutete, daß die Einwohner von Tiahuanaco vor einem schweren Sandsturm geflohen waren und bald wieder zurückkehren würden. Tief in seinem Innern wußte er jedoch, daß dies eine Fehleinschätzung der Lage war.
Er drang nun mit einer gewissen Scheu in die Stadt ein.
Allmählich kam der Sturm völlig zur Ruhe. Der Wind, der jetzt an den Häuserreihen entlangstrich, genügte jedoch, um feine Schleier roten Staubes über die Straßen zu wehen.
Der Mann mit der Maske betrat ein großes Wohngebäude.
Er durchsuchte alle zugänglichen Räume, ohne auf einen Menschen zu stoßen. Dabei machte er eine niederschmetternde Entdeckung. Weder die dreidimensionalen Fernsehgeräte noch die Radioanlagen, die er fand und einschaltete, funktionierten.
Das galt auch für die netzunabhängigen Geräte, so daß Alaska zu dem Schluß kam, daß es keine Stationen mehr gab, die sendeten.
Alaska mußte diese Feststellung erst verarbeiten. Noch immer verschloß er sich vor der Wahrheit. Er redete sich ein, daß der Ausfall der Funk- und Fernsehgeräte ebenfalls ein lokales Problem war, das mit dem Sandsturm zusammenhängen konnte.
Alle Räume, die er untersuchte, schienen gerade verlassen worden zu sein. Es gab keine Anzeichen dafür, daß die Bewohner von Tiahuanaco sich für einen Aufbruch vorbereitet hatten.
Menschen, die ihre Stadt aus irgendwelchen Gründen verlassen, nehmen Habseligkeiten mit! überlegte Saedelaere.
Koffer und andere Gepäckstücke, die er in den Wohnungen fand, waren jedoch nicht benutzt worden. Auch Nahrungsmittel und Kleider schienen unberührt geblieben zu sein.
Es sah alles so aus, als seien die Bewohner von Tiahuanaco allesamt nur auf einen kurzen Sprung zu einem guten Nachbarn gegangen.
Die Stille innerhalb des Gebäudes erschien Alaska plötzlich unerträglich. Er stürmte aus dem Zimmer hinaus, stieß einen Stuhl um und polterte die Treppe hinab. Als er sich im Freien befand, atmete er unwillkürlich auf.
Trotzdem fühlte er, daß zunehmende Verzweiflung in ihm aufstieg.
Die Bilder seiner Vision erneuerten sich jetzt immer häufiger in seinem Bewußtsein, wurden drängender und ließen sich nicht mehr zurückstoßen.
Alaska hockte sich auf eine Holzveranda.
Es ist wahr! dachte er benommen.
Es gibt keine Menschen mehr!
Vor langer Zeit - damals war er noch ein Junge gewesen - hatte er oft Spekulationen darüber angestellt, wie es sein mochte, der einzige lebende Mensch auf der Erde zu sein.
Nun wußte er es.
Es war ein überwältigendes Gefühl von Leere und Einsamkeit, das sich in ihm ausbreitete. Dazu kam die Angst vor etwas Ungeheuerlichem.
Sein eigenes Schluchzen ließ Alaska hochfahren. Er richtete sich auf.
Noch war nichts bewiesen! dachte er. Sicher gab es für das Phänomen von Tiahuanaco eine Erklärung. Er mußte diese Stadt verlassen und bewohnte Gebiete aufsuchen.
Zuvor jedoch wollte er die zentrale Schaltstelle der Stadt aufsuchen. Genau wie alle anderen Städte war auch Tiahuanaco an NATHAN angeschlossen. Das riesige biopositronische Robotgehirn auf dem Mond kontrollierte den gesamten Verkehr auf Terra, die Versorgung der Bevölkerung, das Wetter, die Energieverteilung und vieles andere mehr.
In der Zentrale würde Alaska erfahren, was geschehen war.
Die Schaltstelle NATHANS würde ihm Auskunft geben.
Obwohl er besessen davon war, endlich die Wahrheit herauszufinden, zögerte Saedelaere. Wenn NATHAN ihm sagte, was wirklich geschehen war, mußte er die Gegebenheiten akzeptieren, auch wenn sie noch so schrecklich waren.
Trotzdem - er wollte endlich Klarheit haben.
Alaska rannte fast, als er sich wieder in Bewegung
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