Kasey Michaels
Prolog
ach und nach verlor Paris seinen so oft
beschworenen Reiz. Wie lange hatten sie alle von dem Tag geredet, an dem sie
Bonaparte besiegt haben und im Triumph in diese Stadt aller Städte
einmarschiert sein würden! Wenn sie bis zu den Knöcheln im Schlamm wateten und
ihre Mägen knurrten wie hungrige Löwen, weil der Proviantnachschub auf sich
warten ließ, dann hob es ihre Stimmung ungemein, sich die in Paris zu
erwartenden Herrlichkeiten auszumalen.
Nun waren
sie endlich hier, doch nach fünf langen Tagen unermüdlichen kalten Regens regte
sich in ihnen die Frage, wann Wellington wohl seine Truppen heim nach England
schicken werde. Zwar würde es dort ebenfalls regnen, doch zumindest wäre es
guter englischer Regen.
Nicht dass
die Captains Rafael Daughtry und Swain Fitzgerald in diesen Genuss kommen
würden! Nein, an eben diesem Nachmittag hatten die beiden erfahren, dass sie
auserwählt waren, in ein paar Wochen Bonaparte in sein Exil nach Elba zu
eskortieren.
Jetzt
gerade erklärt Fitz seinem Freund, dass sie erfreut sein sollten, an einem
historischen Ereignis teilhaben zu dürfen, diesem einmaligen Erlebnis, von dem
sie dereinst stolz ihren Enkeln erzählen könnten.
Enkel?
Dieses Wort veranlasste Rafe, seinen Freund kritisch zu mustern und zu
verlangen, er solle für sie einen Ort ausfindig machen, wo sie sich bis zum
Rande volllaufen lassen könnten.
Als sie
schließlich in der von Fitz erwählten Schenke saßen, fröstelte Rafe heftig in
seiner feuchten Uniform. Er rückte seinen Stuhl näher an das magere Feuer im
Kamin und rieb sich die Bartstoppeln an seinem Kinn. Müde fuhr er sich durch
sein unterstütztes schwarzes Haar und spürte den Schmutz darin, der, wie es ihm
schien, nie wieder fortgewaschen werden könnte. Ehe sie beide sich morgen im
Hauptquartier sehen lassen konnten, würden sie zumindest ein sauberes Hemd
auftreiben müssen – ein trockenes würde es auch schon tun, fand er.
„Nun guck
dir das an“, sagte Fitz grinsend, „hockt vor dem Feuer wie eine alte
Jungfer, die nie ein gut angewärmtes Bett gekannt hat! Soll ich Euch ein Plaid
um die Schultern legen, Mistress Daughtry?“
„Halt den
Mund, Fitz“, grummelte Rafe. Ob ihm je wieder warm werden würde? „Wo
bleibt nun dieses erstklassige Bier, das du mir versprochen hast?“
„So viel
Gejammer von einem Mann, der in den letzten Jahren gewohnt war, in Gräben zu
schlafen! Und zum Henker mit dem Bier! Wo sind die willigen Mamsells?“
Fitz schob
sich in die Höhe und hielt den vorbeieilenden Gastwirt fest.
Der fette,
ziemlich schmuddelig wirkende Mann rasselte einen langen französischen Satz
herunter, der eine wenig schmeichelhafte Bemerkung über Fitz' Bart enthielt,
sodass Rafe laut auflachte. In fehlerlosem Französisch bestellte er Ale und
eine warme Mahlzeit und warf dem Wirt ein paar Münzen zu, woraufhin der sich
unter Verbeugungen an seinen Tresen zurückzog.
„Verdammte
Franzmänner! Wissen die nicht, dass wir sie besiegt haben?“, knurrte Rafe.
„Doch, nur
zu gut, und sie hassen uns dafür. Was uns rettet, ist einzig die Tatsache, dass
die meisten Einwohner hier Bonaparte für ihr Unglück verantwortlich
machen.“
„Und dafür
verhätscheln wir den kleinen Burschen noch! Wie lange werden wir beide ihn
bewachen müssen, weißt du da etwas? Nicht, dass es mich eilig nach Dublin
zurückzöge. Es mag ja kalt und nass hier sein, aber was willige Dämchen
betrifft, schlägt Paris Dublin allemal.“
„Das kommt
dir nur so vor, weil all die Dämchen in Dublin dich schon kennen und dir
deshalb aus dem Weg gehen.“
„Wahr,
wahr“, meinte Fitz und rieb sich selbstgefällig seinen ordentlich
gestutzten Bart. „Ich hübscher Teufel hab 'ne ziemliche Schneise durch die
Reihen der
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