076 - Der magische Schrumpfkopf
völlig verschieden. Sie lachte und feierte gern, er konzentrierte sich ganz auf seine Arbeit, auf den Betrieb. Röder hätte viele andere Mädchen und junge Frauen haben können. Selbst Barbara stieß ihn hin und wieder fast mit der Nase auf die Chancen, die sich ihm boten. Doch Röder hatte sich nun einmal Barbara in den Kopf gesetzt, die anderen Frauen interessierten ihn nicht.
Beim Rosenmontagsmaskenball, den er allein besuchte, und wo er Barbara zu treffen hoffte, lernte Röder den Grund für Barbaras Zurückhaltung kennen. Barbara kam an der Seite eines anderen Mannes in den Saal. Sie trug eine tief ausgeschnittene, durchsichtige Bluse, die so gut wie nichts mehr verbarg, einen Zigeunerrock und eine Maske vor den Augen. In ihrem kastanienbraunen Haar sprühten tausend Lichter. Sie sah den Mann an ihrer Seite an, lachte ihm zu, tanzte mit ihm, und Röder wußte, wer die Nummer eins bei ihr war. Er kannte den andern flüchtig. Er hieß Alfred Low, war in Röders Alter. Ein großer, breitschultriger Mann mit markantem Gesicht und unschlagbarem Mundwerk, Verkaufsleiter einer großen Schuhfirma.
„Hallo, Otmar!“ Die fröhliche Menge drängte sich an der Bar. Es wurde geschunkelt, gescherzt, gelacht und gesungen. Zigarettenrauch, Gläserklirren, Stimmengewirr. „Du bist unter die Großindustriellen gegangen, habe ich gehört. Na, wenn das kein Grund ist, einen auszugeben!“
Low war mit jedem gleich per‚ du’, das gehörte zu seinem Stil.
„Barbara kennst du ja, ihr reitet doch gelegentlich zusammen. Ein schöner Sport, das Reiten, muß ich auch noch lernen. Bis jetzt weiß ich nur, was beim Pferd vorne und hinten ist. He, Ober, vier Sekt.“
Röder war auf die rothaarige Susanne Eider ausgewichen, eine gute Freundin aus früheren Tagen. Sie bemerkte zwar, daß er ständig nur Augen für Barbara Steinfelder hatte, doch sie tat, als fiele es ihr nicht auf.
Röder stellte Susanne vor. Sie tranken. Röder hatte etliche Bekannte getroffen und begrüßt. Der Ballsaal des Hotels‚ Krone’ war brechend voll. Der Reit – und Fahrklub und der Tennisklub hatten den Ball arrangiert. Die Kapelle brachte alles, vom Walzer bis zum Beat. Es herrschte eine ausgelassene Stimmung.
Es waren die drei tollsten und verrücktesten Tage. Jeder amüsierte sich auf seine Art – der eine beim Trinken, der andere mit einer Schönen, der dritte wieder tobte sich beim Tanzen aus, und wer Trübsal blies, war selber daran schuld.
Low und Barbara und Röder und Susanne blieben zusammen, schlossen sich einer ausgelassenen Gesellschaft an. Low erzählte von seinem neuen Porsche Carrera, den er nicht genug herauszustreichen wußte.
„Ich habe ein Faible für rassige Wagen“, sagte Barbara. „Es ist eben nicht jedermanns Sache, im uralten Mercedes Diesel durch die Lande zu schaukeln.“
Das bezog Röder gleich auf sich. Deshalb reagierte er auch nicht mehr auf Löws Autostories.
Low merkte das natürlich und machte sich einen Spaß daraus, ein wenig zu sticheln. Das ärgerte Röder, wenn er es auch nicht zu zeigen versuchte. Aber noch mehr ärgerte es ihn, daß Barbara Steinfelder über jeden von Löws Witzen, von denen einige auf Röders Kosten gingen, sich prächtig amüsierte. Die ganze Gesellschaft wurde immer heiterer und ausgelassener, bis auf Röder.
Er tanzte zwar und lachte, aber er zwang sich dazu. Es gab ihm jedesmal einen Stich, wenn er Barbara und Low sah. Er sagte sich, das sei Unsinn, ihm könne es gleich sein, aber es war ihm nicht gleich.
Mit Susanne Eider tanzte Röder, als hielte er seine eigene Großmutter in den Armen. Am liebsten wäre er gegangen, doch das brachte er auch nicht fertig. Also blieb er bis zum Morgen, bis sich die ganze Gesellschaft auf den Heimweg machte.
Im Saal sah es wüst aus. Konfetti und Luftschlangen am Boden. Leere und halbvolle Gläser, fleckige Tischtücher, volle Aschenbecher. Unter einem Tisch schnarchte ein Betrunkener mit einer roten Pappnase im Gesicht.
In der Bar wurde noch gesungen. Die ganze Gruppe, fünfzehn Personen insgesamt, trat hinaus in die kalte, frische Luft. Barbara Steinfelder kicherte, und Low probierte den Königsjodler, den er im Winterurlaub gehört hatte.
Schaurig klang der Jodler in die Nacht, und die ganze Gesellschaft wollte sich vor Lachen ausschütten. In weiser Voraussicht hatte niemand ein Auto mitgenommen. Röder hatte im Hotel‚ Krone’ ein Zimmer reservieren lassen, da er auf seinen Führerschein Wert legte.
Lautstark teilte
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