076 - Der magische Schrumpfkopf
durchfeierten Nacht sein konnte. Er kniff für einen Augenblick die Augen zu. An dem Schrumpfkopf und auch sonst konnte er nichts feststellen.
Röder sah aus dem Fenster, aber vor der Villa stand nur sein alter 220er, schräg hingestellt, wie er ihn am Morgen geparkt hatte. Von einem Lamborghini war keine Spur zu sehen.
„Du trübe Tasse“, sagte Röder zu dem Schrumpfkopf und schloß ihn wieder in den Safe.
Er nahm eine kalte Dusche. Da er übernächtig war, fror er bis auf die Knochen. Erst nach einer halben Kanne Kaffee und einem kurzen Spaziergang fühlte Röder sich imstande, dem Alltag ins Auge zu sehen.
Wie immer am Aschermittwoch klafften einige Lücken in der Front der Werktätigen. Vielen Gesichtern waren die Spuren der Faschingszeit anzusehen. Röder dagegen fühlte sich jetzt so munter und heiter wie schon lange nicht mehr.
Gegen Mittag rief Röders Mutter, die Witwe Anita Röder, die inzwischen gleichfalls in die Villa eingezogen war, ihn ganz aufgeregt an.
„Stell dir vor, Otmar, etwas Unglaubliches ist passiert! Du wirst es nie erraten. Du hältst es nicht für möglich.“
„Na, nun sag schon!“
„Nein, Otmar, ich zeige es dir, wenn du zum Essen herüberkommst. Du wirst staunen.“
Röder war nun wirklich gespannt. Kurz nach zwölf ging er hinüber in die Villa. Seine Mutter erwartete ihn bereits in der Halle. Sie hielt einen Brief in der Hand.
„Lies!“ sagte sie.
Röder entfaltete den Brief. Er war an ihn gerichtet und kam von einem bekannten Herrenmagazin. Auf der ersten Seite standen die besten Glückwünsche der Redaktion zum Hauptgewinn im monatlichen Luxuswagen-Preisausschreiben.
„Aber ich löse doch gar keine Preisausschreiben“, sagte Otmar Röder konsterniert.
„Aber ich“, sagte die resolute Witwe Anita Röder. „Aus reinem Jux habe ich an dem Preisausschreiben teilgenommen. Beim Einsenden der Lösung habe ich deinen Namen auf der Postkarte als Absender angegeben. Ich habe den ersten Preis gewonnen, Otmar. Lies weiter, auf der nächsten Seite. Da steht es.“
Röder las das zweite Briefblatt. Fettgedruckt stand die Bezeichnung des Wagens in der Mitte des Blattes eingerückt. Es war ein Lamborghini-Sportwagen mit 320 PS. Die technischen Daten und die Ausstattung folgten. Der Wagen war rot und hatte schwarze Ledersitze.
Auf Wunsch könne Otmar Röder auch den Gegenwert in bar haben, stand da. Aber daran dachte Röder gar nicht.
„Was sagst du dazu, Otmar?“ fragte Anita Röder.
„Erstens, daß du grundsätzlich keine an mich gerichteten Briefe aufzumachen hast, zweitens, daß ich in diesem Fall keinen Ton darüber verliere, weil das wirklich ganz phantastisch ist. Das hast du großartig gemacht!“
Röder setzte sich an den Tisch. Es gab Schnitzel mit Kartoffelbrei und grünem Salat, als Nachtisch Eis mit heißer Schokoladensoße. Röder aß mit gutem Appetit. Die freudige Nachricht hatte ihn seinen Kater vergessen lassen.
„Natürlich werden wir uns das Geld für den Wagen überweisen lassen“, sagte Anita Röder. „Dieser Lamborghini oder wie er heißt, kostet ja ein Vermögen.“
Nach dem Essen steckte Röder sich eine Zigarette an.
„Ich werde den Wagen behalten und fahren“, sagte er. „Ich wollte meinen alten Mercedes schon lange gegen ein neueres Modell umtauschen.“
„Den Wagen willst du fahren? Du bist wohl lebensmüde, Otmar.“
„Nein, ganz und gar nicht, im Gegenteil“, versicherte Röder.
„Also gut“, meinte seine Mutter nach kurzem Schweigen. „Wenn du den Wagen fahren willst, dann fahre ihn eben. Meiner Meinung nach ist er für dich nicht geeignet. Zu protzig, zu wenig praktisch und überhaupt … was willst du damit?“
Barbara Steinfelder imponieren, dachte Röder. Unter normalen Umständen hätte er nie daran gedacht, einen Lamborghini zu kaufen. Ein Unternehmer zeigte zwar, daß er wohlhabend war, indem er sich einen guten, repräsentativen Wagen zulegte oder auch zwei, aber er protzte nicht und warf nicht Geld zum Fenster hinaus.
Da der Wagen aber der Gewinn eines Preisausschreibens war, fielen Röder tausend gute Gründe und Ausreden ein, um ihn doch zu fahren. Der eigentliche Grund aber war, daß er wegen Barbara Steinfelder einen Superwagen haben wollte, um Alfred Low auszustechen. Ob das nun der richtige Weg war oder nicht, darüber dachte Röder nicht nach. Er überlegte auch nicht weiter, ob er nun von Araquui etwas zu befürchten hatte oder nicht. Unangenehme Dinge kamen schnell genug, wenn sie
Weitere Kostenlose Bücher