076 - Der magische Schrumpfkopf
Tisch seines mit kostbaren Antiquitäten eingerichteten Arbeitszimmers, schüttelte dann energisch den Kopf, um die trüben Gedanken zu verscheuchen.
Lord stand auf, verließ das Arbeitszimmer.
In den nächsten Stunden kam noch einiges auf den Fabrikanten zu. Die Kriminalpolizei kam um acht Uhr abends. Der Polizeiarzt untersuchte die Tote. Ein Protokoll wurde aufgesetzt. Lord verhandelte mit einem Bestattungsunternehmen, das die Tote für die Beisetzung herrichten und ausstatten sollte, sobald die Polizei sie freigegeben hatte.
Lords Rechtsanwalt und Notar, der junge, agile Dr. Wolff, kam und besprach Verschiedenes mit dem Fabrikanten. Lord hatte noch nie direkt mit der Abwicklung eines Todesfalles zu tun gehabt. Er staunte, was da alles auf ihn zukam. Formulare, Behördenbesuche– und telefonate.
Mit dem Pfarrer mußte er sprechen wegen der kirchlichen Beerdigung, mit der Gemeinde wegen der Grabstätte und wegen der standesamtlichen Formalitäten. Für einen Grabstein und eine Leichenfeier mußte er sorgen, und vieles andere mehr.
Einen Teil der Arbeit konnte Dr. Wolff ihm abnehmen. Um andere Dinge wollte Lord sich selber kümmern.
Lord schüttelte den Kopf, als er alles hörte. Aber es lenkte ihn ab, und er vergaß für eine Weile seine trüben Gedanken.
„Rufen Sie mich morgen gegen Mittag in der Kanzlei an, Herr Lord“, sagte Dr. Wolff, als er gegen zehn Uhr abends ging. „Nochmals mein herzliches Beileid zum tragischen Ableben Ihrer Gattin. Ein schlimmer Unglücksfall. Das Schicksal schlägt oft hart zu, Herr Lord.“
Er ging, und Lord blieb allein im ersten Stock der Villa zurück. Auch die beiden Beamten der Kriminalpolizei, der Polizeiarzt und Dr. Gaby Thomas, deren präzise Angaben die ganze Prozedur wesentlich erleichtert und verkürzt hatten, waren schon gegangen.
Nach allem, was Lord erfuhr, hatte Frau Bergisch, die viermal in der Woche kam und als Mädchen für alles fungierte, seine Frau gegen 14.15 Uhr zum Swimmingpool gehen sehen. Etwa um 16.00 Uhr wollte sie Emmy Lord ein paar Fragen stellen wegen einer Gesellschaft, die die Lords am Samstag hatten geben wollen.
Frau Bergisch ging zum Swimmingpool und fand die tote Frau Lord. Sie lag am Grund des Beckens. Frau Bergisch rannte daraufhin völlig aufgelöst zum Betriebsleiter, der alles Weitere veranlaßte.
Lord mochte an diesem Abend niemanden mehr sehen. Ruhelos wanderte er durch die Räume. Er spürte keine eigentliche Trauer, eher ein Gefühl der Niedergeschlagenheit und der dumpfen Beklemmung.
Sechsundzwanzig Jahre waren sie verheiratet gewesen, hatten schwere und auch schöne Jahre erlebt; die harte Arbeit beim Aufbau der Firma, die Geburt und das Aufwachsen des jetzt siebzehnjährigen Sohnes Dieter, der sich in einem Internat in der Schweiz befand. Dieter mußte noch verständigt werden, an ihn hatte Lord noch gar nicht gedacht.
Sechsundzwanzig Jahre. Und jetzt war alles vorbei.
Lord fiel ein, daß er seit dem Mittagessen nichts mehr zu sich genommen hatte. Er verspürte aber keinen Hunger und hatte auch keine Lust, sich etwas aus dem Kühlschrank zu nehmen. Trinken oder rauchen wollte er auch nicht. Stillsitzen oder schlafen konnte er nicht.
Also wanderte er im Haus herum. In allen Zimmern im ersten Stock brannte Licht. Lord betrat den großen Raum, in dem sich seine Sammlerstücke befanden. Sonst hatte ihn der Anblick der geschnitzten Skulpturen, der gewebten Decken und Keramikarbeiten, der metallenen Gebrauchs-, Schmuck – und Kunstgegenstände immer erfreut, heute sagte er ihm gar nichts.
Lord sah den Karton, den er irgendwann achtlos auf einen Tisch gestellt hatte. Er öffnete ihn, nahm den Schrumpfkopf heraus und sah ihn an.
Am Mittag hatte er sich über den günstigen Kauf, das gute Geschäft gefreut. Jetzt hätte er das Ding am liebsten aus dem Fenster geworfen.
Die Berührung des verrunzelten, vertrockneten Fleisches, der langen, blauschwarzen, üppigen Haare war ihm unangenehm.
Es war, als funkelten die kleinen Augen, die aus schwarzem Stein bestanden, ihn höhnisch an.
Cazadors Worte fielen Lord ein. Er verzog verächtlich das Gesicht. Alles Humbug! Trotzdem wollte Lord den Schrumpfkopf nicht mehr haben. Immer würde er ihn an diesen schwarzen Tag erinnern.
Doch was sollte Lord mit dem Schrumpfkopf tun? Er packte ihn wieder in den Karton, nahm diesen unter den Arm, und ging die Treppe hinunter. Nachdem er alle Lichter gelöscht hatte, trat er aus dem Haus, atmete die frische, würzige
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