076 - Der magische Schrumpfkopf
einbog, in der er seinen Wagen geparkt hatte.
Lord nahm die Umgehungsstraße, um schneller nach Hause zu kommen.
Es war Nachmittag, März, rauhes und stürmisches Wetter. Lord hatte in der Stadt eine geschäftliche Besprechung gehabt und bei der Heimfahrt die Gelegenheit genutzt, seinem Hobby zu frönen und nach Antiquitäten und Sammlerstücken zu stöbern. Mit dem Ergebnis war er vollauf zufrieden.
Bei einem Parkplatz im Wald übermannte Lord die Neugierde und der Besitzerstolz. Er fuhr rechts heran, hielt hinter dem Lastwagen einer Speditionsfirma.
Der Fabrikant nahm den Karton mit dem Schrumpfkopf vom Beifahrersitz, öffnete die Verschnürung. Er holte den Schrumpfkopf heraus, betrachtete ihn. Wieder erschien es ihm, als erfülle ein eigenes Leben den präparierten Schädel.
Lord lachte leise. Ein gutes Geschäft, das er da gemacht hatte. „Wenn du wirklich Wünsche erfüllen kannst, dann verschaffe mir gleich die neunzigtausend Mark, die ich dem verrückten Antiquitätenhändler in dem Fall bezahlen muß“, sagte er im Spaß.
Im nächsten Augenblick war es ihm, als würde es für eine Sekunde dunkel. Ein Zucken ging durch seinen Körper und ein eisiger Kälteschauer überlief den Fabrikanten.
Dann war alles wieder wie zuvor. Nichts hatte sich verändert.
„So etwas“, sagte Lord laut. „Da hat mich doch der bucklige Spinner mit seiner Phantasterei angesteckt.“
Er legte den Schrumpf köpf auf den Beifahrersitz, steckte sich eine Havanna-Zigarre an. Der würzige Duft erfüllte den Wagen.
Nach einer Viertelstunde, während der er sich am Straßenrand die Beine vertreten hatte, packte Lord den Schrumpfkopf wieder in den Karton und fuhr weiter. Eine Stunde später erreichte er das Dorf, in dem sich seine Fabrik befand.
Er fuhr die um diese Zeit und bei diesem Wetter leere Hauptstraße entlang, bog bei dem Wegweiser‚ Industriegelände’ ab. Seine Firma befand sich zwischen einer Spedition und einem Unternehmen, das Verpackungsmaterial herstellte. Er sah die Neonbuchstaben, die nachts blau leuchteten.‚ Frederik Lord. Metallverarbeitende Präzisionsmaschinen’, stand dort. Lord sah seine Villa, die Fabrikgebäude – und hallen dahinter. Der überdachte Swimmingpool im parkähnlichen Garten war neu. Den hatte er erst im letzten Herbst bauen lassen.
Als Lord am Pförtnerhäuschen vorbeifuhr, fuchtelte der Pförtner, der alte Theis, mit den Händen. Lord hielt an, kurbelte das Seitenfenster herunter.
Der Pförtner kam zu seinem Wagen. „Was gibt es denn, Bastian?“
„Ach, Herr Lord, es ist ein Unglück geschehen, ein schlimmes Unglück.“
„In der Fabrik?“
„Nein, nicht in der Fabrik. Bei Ihnen. Gehen Sie zum Swimmingpool, dann werden Sie es sehen. Der Herr Röder hat schon versucht, Sie zu erreichen, aber Ihre Besprechung war schon zu Ende. Die Dr. Thomas aus dem Dorf ist auch da.“
„Ja, was zum Teufel, ist denn geschehen, Bastian?“
„Ich … ich mag es Ihnen nicht sagen, Herr Lord. Herr Röder wird Ihnen alles erzählen. Ich wollte nur nicht, daß Sie völlig unvorbereitet … Sie verstehen. Es tut mir sehr leid, Herr Lord.“
Lord ließ den Pförtner und den Wagen stehen und lief quer über den Rasen zu dem überdachten Swimmingpool. Um das Becken herum war eine Halle aus Glas und Kunststoff erbaut, in deren Innern auch im Winter eine annehmbare Temperatur herrschte.
Lord betrat die Halle, deren Südseite aus Glas bestand. Er sah Otmar Röder, seinen Betriebsleiter, und zwei leitende Angestellte neben dem Schwimmbecken stehen. Dr. Gaby Thomas, eine bildhübsche, junge, blonde Frau, kniete neben einer reglosen Gestalt im einteiligen blauen Badeanzug, die auf dem Rücken lag.
Es war Lords Frau Emmy. Er lief zu ihr hin.
„Emmy! Emmy! Um Gottes Willen, was ist geschehen?“
Dr. Thomas sah den Fabrikanten mit ihren klaren blauen Augen an.
„Ihre Frau ist tot, Herr Lord“, sagte sie. „Sie ist im Swimming-pool ertrunken. Ich habe anderthalb Stunden Herzmassage und Mund-zu Mund-Beatmung versucht. Ohne Erfolg.“
Otmar Röder, der Betriebsleiter, und Werner Brandeis, der Prokurist der Firma, führten Frederik Lord in seine Villa. Röder schenkte ihm einen doppelten Kognak ein. Lord trank und merkte nicht, was er da trank. Röder, Brandeis und Dr. Thomas sprachen mit ihm, und er antwortete mechanisch, wußte später nicht mehr, was er gesagt hatte. Dr. Thomas sollte den Totenschein ausfüllen. Trotzdem mußten Polizei und Kriminalpolizei hinzugezogen werden,
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