0778 - Die ERHABENE
beinahe die Besinnung geraubt.
Besinnung? Bedeutete das nicht auch Bewusst sein und bei Sinnen sein ?
Davon war Ted Ewigk in diesem Augenblick endlos weit entfernt. Und wenn seine Freunde ihn nicht anlogen, dann hielt dieser Zustand nun schon eine ganze Weile so an. Doch wollte er ihnen denn glauben?
Der verpatzte Versuch, sich aus der Horizontalen zu erheben, hatte ihm zumindest bewiesen, dass er sich mit einem zweiten Anlauf besser noch ein wenig Zeit lassen sollte.
Der blonde Hüne begann vorsichtig in seinem Kurzzeitgedächtnis zu forschen. Dass er nicht in seinem viel zu großen Bett lag, hatte er bereits realisiert. Anscheinend war er auf der wuchtigen Ledercouch im Salon seiner Villa eingeschlafen.
Warum?
Ganz langsam kehrte die Logik in Teds Denken zurück, denn er musste doch nur eins und eins zusammenzählen.
Der Grund hieß Whisky - und davon annähernd eine ganze Flasche. Das Ergebnis war niederschmetternd und nachhaltig.
Ewigk hielt die Augen fest geschlossen. Früher hätte er sich dafür geschämt, sich so sinnlos zu betrinken. Sicher war er ein Genussmensch, der nichts gegen einen guten Rotwein, einen alten Cognac oder eben Whisky einzuwenden hatte. Aber wie so oft im Leben kam es auf das richtige Maß an. Denn die entsprechende Menge gab nur zu oft den Ausschlag zwischen Genuss und Gelage.
Früher hätte er gewusst, wann er das Glas umdrehen musste. Früher hätte Ted sich auch mit Sicherheit nicht alleine im Dunkeln eine Whisky-Flasche an den Hals gesetzt.
Früher… ja, doch früher gab es seit einiger Zeit für ihn nicht mehr.
Exakt seit dem Tag, an dem er den unscheinbaren Zettel auf dem Küchentisch gefunden hatte.
Ted, ich verschwinde aus deinem Leben.
Bitte suche nicht nach mir. Ich möchte nicht gefunden werden! Nicht von dir, nicht von anderen. Erfülle mir diese letzte Bitte.
Es war gut, solange es eben ging. Es war eine wunderschöne Zeit mit dir. Aber jetzt ist es vorbei.
Leb wohl - Carlotta
Die lapidare Nachricht war eindeutig von seiner Gefährtin geschrieben. Zu markant war ihre Handschrift, als dass Ted da hätte zweifeln können. Aber hatte sie diese Worte aus freiem Willen verfasst? Hatte Carlotta ihn, Ted Ewigk, wirklich ohne Zwang verlassen?
Ted lebte nicht in dem Wahn, dass man einen Mann wie ihn nicht verlassen konnte. Dieses Machogehabe lag ihm fern. Er hatte mehr als eine Trennung hinter sich. Ted war nicht unerfahren in Beziehungskrisen jeglicher Art.
Doch eben die hatte es zwischen ihm und Carlotta nicht gegeben.
Carlottas manchmal seltsames Verhalten, wenn es darum ging, Ted von jeder Gefahr fernzuhalten, konnte man doch nicht eine echte Krise nennen. Sie hatte niemals einen Hehl aus ihrer Bisexualität gemacht. Und Ted war ebenso selbstverständlich und locker damit umgegangen. Es gab einfach keinen logischen Grund für Carlottas Flucht aus dem Palazzo Eternale, der an Roms nördlichem Stadtrand gelegenen Villa.
In Teds Verzweif elung, Enttäuschung und Traurigkeit hatte sich eine feste Theorie eingebrannt: Carlotta war von der DYNASTIE DER EWIGEN entführt worden! Die neue ERHABENE Nazarena Nerukkar wollte ihm jegliche Motivation rauben, unter Umständen ihren Platz an der Spitze der Ewigen zu beanspruchen. Denn nach wie vor verfügte Ted Ewigk über seinen Dhyarra-Kristall der 13. Ordnung. Den Machtkristall, der ihn zur Führung des Volkes der Ewigen berechtigte. Solange es ihn gab, konnte sich Nazarena Nerukkar ihrer Position nicht wirklich sicher sein.
Dass Ted nicht einen einzigen Gedanken an diese Möglichkeit verschwendete, konnte die ERHABENE nicht wissen. Und sicher würde sie es ihm auch nicht glauben.
Professor Zamorra hatte versucht, Ted diese fixe Idee auszureden. Erfolg hatte der Parapsychologe jedoch nicht gehabt.
Teds Wahnvorstellungen hatten ihn Dinge tun lassen, die absolut untypisch für ihn waren. Jedes Sicherheitsdenken hatte er über Bord geworfen. Wenn er Carlotta schon nicht finden konnte, dann wollte er den Ewigen zumindest schaden, wo es nur ging.
Wenn die ERHABENE ihn jedoch jetzt sehen könnte… so war er ganz sicher keine Bedrohung für sie.
Mit Mühe erhob der Reporter sich von der Couch. Jeder Knochen in seinem Körper schmerzte, bestrafte Ewigk für seinen Alkoholexzess der vergangenen Nacht.
Eine kalte Dusche war nun dringend notwendig. Und irgendwie schaffte er es tatsächlich, die Entfernung vom Salon zu einem der hochmodern ausgestatteten Baderäume zu überwinden.
Eiskaltes Wasser bewirkt oft wahre Wunder.
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