0779 - Tod in Merlins Zauberwald
Rückenscheide zurück. Der andere Elf trieb seine Klinge mit der Spitze tief in den weichen Boden und stützte sich dann auf die Parierstange des Griffstücks.
»Ich hab’s selbst rausgekriegt«, sagte Artos. »Schließlich seid ihr weder die Ersten noch die Einzigen, mit denen ich übe.«
»Viel zu üben brauchst du nicht mehr«, sagte der Kiltträger. »Du bist schon sehr gut, bei der Göttin! Manch Ritter stellt sich im Turnier oder auch auf dem Feld wesentlich blöder an. Wenn du jetzt noch ein richtiges Schwert hättest…«
Der zwölfjährige Knabe wog die schwere Waffe in den Händen. »He, Spitzohr, das hier ist ein richtiges Schwert.«
»Papperlapapp«, erwiderte der Elf. »Das ist irgendein Schwert. Ein Kämpfer wie du braucht eine besondere Klinge. Eine, die eigens für ihn geschaffen wurde. Du solltest zu den Riesen gehen. Sie können dir ein Schwert schmieden, das deiner würdig ist.«
»Setz ihm keine Flausen in den Kopf«, mahnte Merlin. »Wenn du ihn weiter so über den grünen Klee lobst, wird er noch leichtsinnig. Und das ist das Letzte, was ihm passieren darf.«
»Täusch dich nicht, Myrddhin Emrys«, sagte der Elf. »So schnell wird der junge Bär nicht leichtsinnig. So überlegt, wie er kämpft, kann er andere wirklich schwer in Bedrängnis bringen. Gib ihm ein richtiges Schwert, und er wird ein Königreich erobern .«
»Schluss«, befahl Merlin. »Geht jetzt. Wir danken euch für eure Hilfe. Für heute ist es genug.«
Die beiden Elfen lächelten ihm zu, verneigten sich leicht und schritten davon, nachdem der Samtwamsträger sein Schwert wieder aus dem Boden gezogen hatte. Er hieb dem anderen die Hand auf die Schulter, und plaudernd verschwanden sie in der Tiefe des Zauberwalds.
»Ein Königreich? Pah!« machte Artos. »Was soll ich mit einem Königreich? Auf einem Thron sitzen, fett werden, Steuern eintreiben lassen, das Volk ausbeuten, die Männer in unsinnige Kriege treiben? Mich von intriganten Ministern heimtückisch vergiften lassen? Meine schöne Tochter von einem blutrünstigen Drachen fressen lassen, weil es keinen beherzten Ritter im Königreich gibt, der den Drachen erschlägt? Nein, Myrddhin, das ist nichts für mich. Ich strebe nach viel Höherem.«
Merlin runzelte die Stirn. »Nach noch Höherem?«
»Sicher. Auf einen großen Baum zu klettern, und wenn der König mit seinem Gefolge unter mir auf der Straße vorüberzieht, ihm auf den Kopf zu spucken, und er denkt, es wär’ ein Vogel gewesen, der ihn bekleckert hat.« Er lachte.
Merlin erlaubte sich immerhin ein leichtes Schmunzeln.
»Du hast schon sehr bestimmte Vorstellungen von dem, was auf einen König zukommt«, sagte er. »Bist du wirklich sicher, dass du kein König werden möchtest?«
»Aber Myrddhin!« Artos schüttelte sich. »Selbst wenn ich es werden wollte, wär’s doch nur ein Wunschtraum. Vielleicht werde ich der Knappe eines Ritters, mehr aber sicher nicht. Und wenn ich daran denke, wie’s meinem-Vater erging… nein, ich denke, das ist nicht das, was ich will.«
Er war sehr ernst geworden.
Merlin fasste ihn am Arm.
»Du stinkst hundert Doppelschritte gegen den Wind nach Schweiß«, sagte er.
»Ab mit dir ins Wasser, nimm ein Bad. Danach reden wir weiter.«
»Worüber? Lehrst du mich mehr von deiner Magie?«
»Die fasziniert dich wohl am meisten.«
»Ich will lernen, den Zauber zu verstehen«, sagte Artos. »So viele Menschen haben Angst davor. Wenn ich weiß, wie das Zaubern funktioniert, werde ich auch wissen, warum sie sich fürchten.«
»Worte eines Königs, der Verantwortung für sein Volk trägt«, murmelte Merlin und versetzte Artos einen leichten Stoß. »Nun geh schon. Und streite dich im Bach nicht mit den Fischen herum. Denke daran: das ist ihr Bach, also haben sie mit allem recht.«
Der Knabe lief zum Bach hinüber, warf das Tuch ab, das er sich um die Lenden geschlungen und verknotet hatte, und sprang ins Wasser.
Aus einiger Entfernung sah Merlin ihm zu.
Artos war für sein Alter sehr reif. Lag es daran, dass er praktisch kaum Umgang mit anderen Kindern seines Alters gehabt hatte? Dass er fast ständig mit Merlin zu tun hatte, der ihn alles lehrte, was Artos wissen musste?
Der Junge war dazu bestimmt, König zu werden. König von Britannien. Es war seine Aufgabe dieses aufgespaltene Land endlich unter einer Hand zu vereinen, es wieder stark machen. So stark wie einen Bären.
Merlin hatte bereits Vorkehrungen getroffen.
Nichts im bisherigen Leben des Jungen war dem Zufall
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