0781 - Die Hexe von Hilversum
geschworen.
Der untersuchende Arzt war dabei geblieben, dass Katzen die Schuld an Piets Tod trugen. Jan de Rijber hatte einige Zeit gebraucht, um sich mit dem Gedanken anzufreunden, und hatte dann nachgedacht. Er war zu dem Resultat gelangt, dass die Tiere seinen Bruder nicht aus Spaß und Mordlust angegriffen hatten, so etwas taten Katzen nicht, da hatte er sich kundig gemacht. Sie mussten also angestiftet worden sein, und dies von einer Person, die sich sehr gut mit Katzen auskannte, die ja nun mal Individualisten waren. Wer schaffte es schon, eine Katze zu einem Mordwerkzeug umzufunktionieren oder sie zu dressieren? Das war normalerweise unmöglich, das musste schon jemand sein, der außergewöhnliche, schon übersinnliche Fähigkeiten besaß. Dort hatten sich Jans Gedanken festgehakt. Er hatte nicht einmal sehr lange zu überlegen brauchen, um die richtigen Schlüsse zu ziehen. Zwar hatte er keinen Beweis, allein die Tatsache, dass ihm der Name dieser Person eingefallen war, reichte bei ihm schon aus.
Linda Vermool!
Sein Bruder hatte sie haben wollen, und durch Jans »diskrete«
Nachhilfe war ihm dies auch gelungen. Sie hatten die Frau in eine Falle gelockt, weil Piet wissen wollte, wie es mit einer Hexe im Bett ist. Er war nachher relativ enttäuscht, denn ein übersinnliches Erlebnis war ihm nicht vergönnt gewesen. Er hatte nur von dem kalten Blick der Augen gesprochen, in dem er praktisch nur ein Wort gelesen hatte – RACHE.
Das genau war es gewesen.
Die Hexe hatte sich gerächt. Die Hexe verfügte über außergewöhnliche Kräfte, und Jan hielt es durchaus für möglich, dass sie in der Lage war, Tiere zu beeinflussen oder sie so zu dressieren, dass sie sich auf Menschen stürzten und so lange quälten, bis diese tot waren.
Der Name dieser Person hatte ihn in den letzten drei Tagen immer wieder begleitet. Er hatte kaum an etwas anderes denken können, und er hatte sich vorgenommen, sich nach der Beerdigung um sie zu kümmern. Er wollte sie töten, und er hatte sich bereits einen spektakulären Plan ausgedacht, eine irre Idee, über die er sich auch jetzt freute, als er hinter dem Sarg herging.
Nach einem Fußweg von etwas mehr als einer Viertelstunde hatte der Trauerzug das Grab erreicht. Es lag auf dem alten Teil des Friedhofs unter hohen Buchen, und Jan hatte gleich einige Quadratmeter mehr gekauft, sodass es eine de Rijber-Gruft werden konnte. Wenn es ihn einmal erwischte, wollte er neben seinem Bruder beerdigt werden.
Die Trauergäste bauten sich um das Grab herum auf. Vier Helfer versenkten den Sarg in die Erde, stemmten sich gegen den Sturm, verneigten sich und mussten Acht geben, dass sie nicht von den Böen in das Grab hineingedrückt wurden.
Der Wind ließ die Schleifen der Kränze wie schmale Fahnen flattern, er wirbelte Blätter um die Trauergäste und peitschte gegen die Gestalten.
Der engagierte Prediger begann mit seiner Rede. Er sprach sehr laut, weil ihm der Wind immer wieder die Worte von den Lippen riss.
Er lobte den Toten in hohen Tönen, redete von einem guten Menschen, der nun ein erfülltes Leben hinter sich gebracht hatte. Er sprach von seinen Taten, und nicht wenige Menschen am Grab konnten sich ein Lachen kaum verbeißen. Sie lachten in ihre Taschentücher hinein, damit es aussah, als würden sie weinen.
Zum Glück drehte ihnen Jan de Rijber den Rücken zu, denn er hätte gemerkt, was mit ihnen loswar. Er wusste ja selbst, wie »beliebt« ein extrovertierter und unberechenbarer Typ wie Piet gewesen war.
Im Prinzip trauerte ihm niemand eine Träne nach. Besonders stark atmeten die Mädchen und Frauen auf, dass es ihn nicht mehr gab.
»Sollen ihn doch die Würmer fressen!«, flüsterte eine.
»Und die Ratten dazu«, murmelte eine andere.
»Hast du schon mal was von Ghouls gehört?«, fragte die erste Sprecherin.
»Nein, was ist das?«
»Das sind Leichenfresser.«
»Ah, verstehe. Du meinst, dass Ghouls ihn anknabbern sollen.«
»Das gönne ich ihm.«
»Nur spürt er nichts mehr davon.«
»Leider!«, knirschte die dunkelhäutige Indonesierin, die unter Piet zu leiden gehabt hatte. »Ich hätte ihm das Gleiche gegönnt, was er mir angetan hat.«
»Nein, noch schlimmer.«
»Auch das!«
Der Prediger hatte seine Rede beendet. Er war ein großer, dürrer Mann um die Sechzig, und sein trauriges Dackelgesicht prädestinierte ihn für diesen Job. Wer ihn anschaute, fing schnell an zu weinen. Er trat auf Jan de Rijber zu und drückte dessen Hand mit seinen beiden
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