0785 - Der Kinderschreck
nicht entfernt.«
»Sieh doch nicht alles so negativ.«
Zwei Hände streichelten seine Wange. »Das sehe ich auch nicht. Es ist mir auch egal. Nur weiß ich nicht, ob Sheila und ich euch abholen können.«
»Zur Not nehmen wir ein Taxi.«
»Mit den Christbäumen?«
»Ja.«
»Wenn ihr das schafft.« Cindy machte den Arm lang. Sie griff an den Kerzen vorbei zur Rotweinflasche und ließ die Flüssigkeit aus der Flaschenöffnung bewusst langsam in ihr Glas fließen, weil sie ihrem Mann noch etwas sagen wollte. Sie wusste nicht, wie er auf das Thema reagieren würde, aber Cindy gehörte zu den Frauen, die nichts auf die lange Bank schoben und immer schnell Klarheit haben wollten. »Sag mal, Brett«, sie stellte die Weinflasche wieder zurück, »was ist eigentlich los mit dir?«
»Hm!« Er runzelte die Augenbrauen. »Was, zum Teufel, soll denn mit mir los sein?«
»Im Prinzip nichts.«
»Aha.«
»Moment, lass mich ausreden.« Sie blickte ihrem Mann in die Augen. »Als ich dich mit den Koffern ins Haus bat, da hast du so komisch reagiert, Brett.«
»Wie denn?«
»Du warst irgendwie anders.«
»Zu dir, Cindy?«
»Nein, auf keinen Fall, aber anders eben. Nicht so locker. Du hast auf mich einen bedrückten Eindruck gemacht, als würden dich Sorgen plagen, was ja im Urlaub nicht sein soll. Hast du irgendwelchen Ärger in der Firma gehabt? Wenn ja, lass uns darüber reden.«
Brett gab keine Antwort. Er schaute auf die weiß blau gemusterte Decke – die weihnachtliche würden sie erst später auflegen – räusperte sich und hob die Schultern.
»Also doch!«, stellte seine Frau fest.
»Nein.«
»Warum lügst du?«
»Es ist zumindest nicht das, von dem du gesprochen hast. Es geht da um andere Dinge.«
»Okay, um welche? Willst du mit mir darüber reden? Geht es uns beide an? Ist eine andere…«
»Keine andere Frau, wenn du das sagen willst. Nein, nein, es hat schon etwas mit dieser Umgebung zu tun. Du hast es nur nicht mitbekommen. Es war zudem nicht möglich, weil du dich im Haus aufgehalten hast. Ich stand ja draußen und kümmerte mich um die Koffer.«
»Und weiter.«
»Da kam ein Mann.«
Cindy runzelte die Stirn. »Das hört sich an, als wäre es ein Fremder gewesen.«
»Richtig, er war fremd und er war mir auch nicht geheuer, denn er stellte Fragen, die doch sehr in den persönlichen Bereich gingen.«
»Was wollte er denn wissen?«
Brett Gibson blies die Luft aus und lehnte sich zurück. »Am besten ist es, wenn ich dir die Geschichte von Beginn an erzähle. Dann kannst du deine Meinung dazu sagen.«
»Da bin ich aber gespannt.«
In den folgenden Minuten redete nur Brett Gibson. Cindy hörte zu. Sie fing an, mit ihrem Ohrschmuck zu spielen, zeigte manchmal Unverständnis und nickte schließlich einige Male, als Brett seinen Bericht beendet hatte.
»Da war ich an deiner Stelle auch misstrauisch geworden.«
»Eben. Komischerweise muss ich über die Begegnung immer nachdenken. Den Grund kann ich dir auch nicht nennen. Vielleicht liegt es halt an der doch tiefen Beunruhigung, die mich erfasst hat. Das Auftauchen des Kerls hat meine Stimmung für einige Zeit in Richtung Nullpunkt gesenkt.« Brett räusperte sich. »Weißt du, Cindy, er passte einfach nicht hierher, nicht in diese Umgebung. Er war anders, als hätte man ihn aus einem Gruselfilm entlassen.«
»Jetzt übertreibst du.«
»Mag sein. Nur frage ich dich, Cindy, welchen Grund hatte er denn, sich nach unseren Kindern zu erkundigen?«
»Das finde ich allerdings auch seltsam.«
»Eben, meine ich doch.«
Cindy legte ihre Hände zusammen, als wollte sie beten. »Allgemeine Neugierde kann das nicht gewesen sein – oder?«
»Auf keinen Fall.«
»Hat er dir denn seinen Namen genannt?«
»Auch nicht. Er sagte nur, dass er aus der Tschechei käme. Kein Wunder, die Grenze ist nah und hält den Vergleich mit einem Eisernen Vorhang auch nicht mehr stand.«
»Was aber nichts Negatives bedeuten muss.«
»Das stimmt.«
Cindy trank den Wein. Bevor sie ihn schluckte, kaute sie ihn beinahe andächtig. Dann fragte sie: »Hast du dir denn einen Plan ausgedacht, was wir eventuell tun könnten?«
»Nein.«
»Willst du ihn suchen?«
»Auch das nicht, Cindy.« Er lauschte für einen Moment der weihnachtlichen Musik, die von der Kassette abgespielt wurde. »Ich werde ihn nicht suchen, aber ich werde die Augen offener halten als sonst. Mir hat es nicht gefallen, dass er nach Davy und Amy fragte. So etwas tut man doch nicht, wenn man einen fremden
Weitere Kostenlose Bücher