0785 - Der Kinderschreck
den Betten der Eltern schlafen zu dürfen. Davys Vater stand an der Tür und gab seiner Frau Zeichen, die sie nickend zur Kenntnis nahm. Er deutete mit dem ausgestreckten Zeigefinger noch einmal auf das Fenster, danach gegen den Boden und zog sich leise zurück.
Auf der Treppe lief er schneller. Sein Gesicht war dabei zu einer Maske geworden. Er hatte den Bericht seines Sohnes genau verstanden, und er wusste auch, wen Davy gesehen hatte. Diesen verfluchten Kerl, der ihm die unangenehmen Fragen gestellt hatte. Er schwor sich, diesen Mann zur Rede zu stellen, sollte er ihm noch einmal über den Weg laufen.
Brett Gibson zerrte seine gefütterte Jacke vom Haken. Wuchtig riss er die Tür auf. Am liebsten hätte er jetzt eine Waffe gehabt, als er in die Kälte trat, die in seine Haut schnitt. Aus dem Himmel fielen sehr feine Schneeflocken, aber sie hatten bereits zahlreiche Spuren verdeckt.
Er musste um das Haus herum. Seine Schritte knirschten auf der leicht gefrorenen Oberfläche der weißen Pracht. Als er um die Ecke ging, wäre er fast gegen den kleinen schuppenartigen Anbau des Hauses gelaufen.
Dort war das entsprechende Werkzeug untergebracht. Zumeist Schaufeln und Spaten, denn oft genug musste der Weg vom Schnee freigeschaufelt werden.
Neben dem Schuppen stand auch der Wagen. Brett hatte ihn selbst dorthin gefahren. Auf dem Dach und den Scheiben lag bereits eine dünne Schneeschicht.
Die Schlüssel trug er bei sich. Am Bund hing auch der kleinste Schlüssel, der zum Vorhängeschloss der Schuppentür passte. Zweimal musste er ihn drehen, dann konnte er das Schloss aufziehen, und wenig später auch die Tür des Schuppens.
Es war stockfinster. Ein Feuerzeug spendete Brett Licht. Geduckt betrat er den Schuppen. Das Gerät lehnte an der rechten Wand. Gegenüber standen die Säcke mit Sand.
Brett nahm den Spaten an sich. Das Metall schimmerte bläulich wie blankes Eis. Er glaubte zwar nicht, dass ihm gerade jetzt noch jemand über den Weg laufen würde – und der Typ aus dem Wald schon gar nicht –, aber sicher war sicher.
Mit dem Fuß schob er die Tür wieder zu. Ein überlautes Geräusch in der nächtlichen Stille, die erst dann wieder eintrat, als Brett Gibson unter dem Fenster seines Sohnes stehenblieb, um festzustellen, dass er so gut wie nichts erkennen konnte.
Er brauchte Licht, nahm wieder das Feuerzeug, bückte sich und lehnte den Spaten gegen die Wand. Das Licht flackerte. Es zog in dieser verdammten Ecke, und sehr bald war die Flamme erloschen.
Er versuchte es erneut und deckte das Feuer mit der Hand ab.
Jetzt ging es besser.
Es war natürlich schwer, auf diesem vereisten Boden irgendwelche Fußspuren zu finden. Dafür entdeckte Brett Gibson etwas anderes. Abdrücke in der Eisschicht, die von zwei harten Gegenständen hinterlassen worden waren. Vielleicht hatte jemand eine Leiter in den Boden gestemmt? Und diese Stelle befand sich direkt unter Davys Fenster, aus dem der Lichtschein fiel.
Brett Gibson wusste Bescheid. Für ihn kam gar nichts anderes in Frage. Hier hatte jemand eine Leiter gegen die Wand gestellt und war dann die Sprossen bis zum Fenster hochgestiegen.
»Dieses Schwein«, flüsterte er. »Wenn ich den in die Finger kriege, drehe ich ihm den Hals um.« Es war ein Versprechen, und in den Augen des Mannes stand ein böses Leuchten. Brett drehte durch, wenn es um seine Kinder ging. Die Familie war ihm heilig, dazu zählten Amy und Davy nun mal. Wütend stieß er die Luft aus, wollte wieder einatmen, da hörte er plötzlich das Kratzen.
Brett blieb hocken.
Ein Fiepen, schrill und aggressiv. Wuchtig sprang ihn etwas von hinten her an und verbiss sich in den Saum seiner Jacke. Brett schnellte hoch, die Jacke hatte er nicht geschlossen. Als er sich drehte, da drehte sie sich mit und er sah das etwa handlange Tier, das sich dicht oberhalb des Saumes festgebissen hatte.
Das war keine Maus, auch kein Eichhörnchen, es war eine Ratte.
Er fluchte leise und schlug mit der linken Hand zu. Es ekelte ihn schon, als die Faust den kalten, pelzigen Körper traf, der ihm so hart vorkam, als wäre er gefroren. Doch der Erfolg gab ihm recht. Die Ratte ließ los und fiel zu Boden. Sie war etwas benommen. Das Glück der Sekunde nutzte der Mann aus. Er packte den Spaten, zielte kurz und rammte das Blatt dann nach unten. Es durchtrennte den Rattenkörper.
Tief atmete er durch, trat zurück und lehnte sich gegen die Schuppenwand. Nicht dass er sich erschöpft fühlte, er musste sich einfach erholen,
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