0785 - Der Kinderschreck
gedrückt worden, dass Platz genug war, um den linken Fuß hervorziehen zu können. Es ging dabei um den Bruchteil einer Sekunde. Ich schaffte es einfach nicht mehr, den Bügel noch länger zu halten.
Er schnappte zurück.
Der Fuß war schneller.
Zwar ratschte der Bügel noch an meiner Sohle entlang, das aber hatte nichts zu bedeuten, ich war frei. Der Druck war nicht mehr vorhanden, und ich fiel kraftlos auf den Rücken, wälzte mich aber noch zur Seite und spürte den kalten Schnee wie eine Totenhand an meiner Wange.
Geschafft!
Tief durchatmen und Kräfte sammeln. Meine Brust bewegte sich auf und nieder. Sie kam mir vor wie ein Blasebalg.
Ich setzte mich hin.
Das rechte Bein konnte ich normal ausstrecken, das linke eigentlich auch, aber die Wunde schmerzte schon. Auf dem dicken Schuhleder hatte der Bügel seine Spur hinterlassen. Ein entsprechender Eindruck zeugte davon.
Ich war frei und konnte zurückgehen. Die Vögel griffen mich nicht an, ich sah auch kein Feuer mehr und hörte das Kichern ebenfalls nicht. Der Wald lag eingebettet in eine tiefe Stille, die immer dann eintrat, wenn sich der Tag allmählich dem Ende zuneigte. Für manche Menschen war es die Stunde zwischen Tag und Traum. Für mich wäre sie beinahe zu einem Alptraum geworden, und den wollte ich so schnell wie möglich wieder abschütteln. Ich musste zurück, den anderen Bescheid sagen. Hier ging einiges nicht mit rechten Dingen zu, und nicht erst seit diesem Zeitpunkt hatte ich den Eindruck, wieder in etwas hineingeraten zu sein, das meinen Beruf unmittelbar tangierte.
Als ich aufstand und das linke Bein belastete, merkte ich den Druck auf meinem Fuß. Auch bei den ersten Schritten schmerzte der Knochen, aber das ließ sich aushalten. So leicht war ich nicht außer Gefecht zu setzen.
Ich ging dorthin, wo sich das Unterholz staute. Ein Sammelsurium aus Ästen, Zweigen und Dornen sah ich vor mir. Undurchdringliches Dickicht, das ich mit meiner kleinen Lampe anleuchtete. Jetzt entdeckte ich auch die Lücken darin oder dahinter, sah aber nichts.
Um an diese Stelle zu gelangen, musste ich das Unterholz umlaufen, was ich auch tat.
Ja, ich sah Fußspuren. Dort hatte jemand gestanden und mich beobachtet. Eine Person, die sich über meinen Zustand gefreut hatte und ihr Kichern nicht unterdrücken konnte.
Ich würde sie finden und dachte darüber nach, ob ich es schon jetzt versuchen sollte.
Es war ein schlechter Zeitpunkt, bereits eine halbe Stunde später würde es verdammt dunkel sein, so dass ich nicht mal die berühmte Hand vor Augen sah.
Der Wald lief mir nicht weg und seine rätselhaften Bewohner ebenfalls nicht. So machte ich mich auf den Rückweg. Nicht als Geschlagener, sondern als einer, der zurückkommen würde, ohne in eine Falle zu laufen…
***
Das lange Laufen hatte meinem Fuß nicht gut getan. Auf der letzten Strecke humpelte ich. Da die Conollys bereits von ihrem ersten Lauf zurückgekehrt waren, ging ich die letzten Meter normal, denn Bill, der draußen vor dem Haus die Skier aufstellte, sollte nicht sehen, was mit mir los war. Er sah mich kommen, winkte mir zu und kam mir einige Schritte entgegen. Er sah richtig gesund aus. Ein rotes Gesicht, in dem die Strapazen wie weggeblasen waren. Die dicke Jacke hatte er bereits ausgezogen, er trug noch den Pullover im Norwegermuster und trampelte auf der Stelle.
Ich blieb vor ihm stehen.
Bill lachte mich an. »John, das war ein Tag, kann ich dir sagen. Du hast etwas verpasst.«
»Möglich.«
»Du musst einfach das Langlaufen lernen«, beschwor er mich geradezu. »Hier gibt es ideale Loipen.«
Ich grinste. »Ist ja noch Zeit, oder?«
»Klar. Aber morgen früh gehen wir erst mal auf den Weihnachtsmarkt und suchen einen Baum aus. Brett Gibson ist auch dabei. Das wird ein Spaß, kann ich dir sagen.«
»Kommen die Frauen und die Kinder nicht mit?«
Bill hatte sich gebückt und zog seine Langlaufschuhe aus. Andere standen schon bereit. »Nein, die bleiben hier. Sheila und Cindy wollen einen Weihnachtspunsch zubereiten, auch einen Glühwein kochen und noch andere Dinge vorbereiten.« Er kam wieder hoch und hieb seine klammen Hände gegeneinander. »Ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass wir ein tolles Fest verleben werden.«
»Mal sehen«, murmelte ich und schaute dabei zum Waldrand hin.
»Was hast du gesagt?«
»Nichts, Bill. Soll ich ehrlich zu dir sein?«
»Klar doch.« Er lachte und streckte die Hand aus, weil erste Schneeflocken fielen. Sie gerieten dabei auch in
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