0785 - Der Kinderschreck
Unterholz-Formation, die es möglich machte, den Wald zu betreten.
Ein günstiger Zugang, um in den Wald zu gelangen. Ich wolle hineingehen und mich ein wenig umschauen. In der Regel ist ein Wald nicht gefährlich, und ich hoffte, dass mich meine Ahnung täuschte.
Eine tiefe Stille umgab mich. Ich hatte das Glück, einen kleinen Weg gefunden zu haben. Er wand sich zunächst an einigen schneebedeckten Nadelbäumen vorbei, um schließlich dort zu landen, wo Laubbäume mehr freie Flächen boten.
Da wollte ich hin.
Die Zweige wippten, wenn ich sie mit den Schultern berührte.
Schnee rieselte zu Boden, und ein paar Schritte weiter, direkt in einer kleinen Mulde, blieb ich stehen, weil ich etwas gerochen hatte.
Rauch war in meine Nase gedrungen. Irgendwo in der Nähe musste jemand ein Feuer entfacht haben.
Ich schnupperte. Der Rauch roch leicht würzig, als wäre Tannenholz verbrannt worden. Wohnte jemand im Wald? Versteckt in der Tiefe, von nur wenigen Menschen gesehen. Ein kleines Hexenhaus mit einer Hexe wie im Märchen Hänsel und Gretel?
Ich lächelte darüber, aber es war nicht echt und fröhlich. Da ich neugierig war, wollte ich herausfinden, ob mein Verdacht stimmte.
Ich ging weiter und musste mit der linken Hand Zweige zur Seite drücken. Nicht alle Büsche hatten ihre Blätter verloren. An manchen Zweigen wippten sie noch und streiften durch mein Gesicht. Der Rauchgeruch blieb.
Über mir bildeten die Zweige und Äste der mächtigen Bäume ein Dach. Da griffen sie manchmal ineinander, verfilzten sich, bildeten ein weiteres Dach, in dem ich nicht einen Vogel entdeckte.
Dafür andere Tiere.
Urplötzlich waren sie da. Sie schienen auf mich gelauert zu haben, denn endlich konnten sie sich aus den Verstecken lösen. Und mit Ratten hatte ich wirklich nicht gerechnet.
Sie umwirbelten mich. Ich war im ersten Schreck starr stehen geblieben. Kalte Augen schauten mich böse an. Die Ratten sahen aus, als wären sie hungrig und würden auch vor Menschenfleisch nicht haltmachen.
Etwas klatschte mir gegen den Rücken.
Kein Schneeball, sonder ebenfalls eine Ratte, die auf mich niedergefallen war, sich festklammern wollte, am glatten Leder der Jacke jedoch abrutschte, zu Boden fiel und von mir durch einen Tritt ins Gebüsch befördert wurde.
Einen Wald voller Ratten.
Verdammt, so etwas hatte ich auch noch nicht erlebt. Sie waren wie ein Spuk erschienen, hatten mich umkreist und verschwanden ebenso schnell, wie sie gekommen waren, ohne mich angegriffen zu haben.
Ich blieb allein zurück.
Erst jetzt merkte ich, dass ich schon ins Schwitzen geraten war.
Das Auftauchen der Ratten war nicht normal gewesen, und ich fragte mich, wie ich es auffassen sollte. Als eine Warnung, den Wald an dieser Stelle nicht mehr zu betreten?
Die letzten Geräusche der sich zurückziehenden Ratten verklangen. Ich blieb allein zurück in der Winterlandschaft.
Auf einmal war der Mann da.
Ich sah ihn rechts von mir. Er stand etwas erhöht. Er wirkte wie ein zu Eis gewordenes Gespenst, trug dunkle Kleidung und einen seltsamen Hut ohne Krempe. Sein Gesicht blieb im Schatten, dennoch sah ich das Glitzern in den Augen und wusste nicht, was ich davon und auch von dem Mann halten sollte.
Würde er mir erklären können, was es mit den Ratten auf sich hatte?
Ich maß die Entfernung mit den Blicken ab. Er hielt sich in Sprechweite vor mir auf und hatte die Hände in den Taschen seines dunklen Mantels vergraben.
Ich redete. »Hallo…« Erst einmal harmlos beginnen, nur kriegte ich keine Antwort. »Wohnen Sie auch in der Siedlung?«
Er schüttelte den Kopf.
Immerhin etwas, dachte ich. Ich hob die Schultern. »Na ja, ich wohne jedenfalls dort.«
»Was hast du hier zu suchen?«
Zum ersten Mal hörte ich seine Stimme, und sie hatte für mich einen sehr fremden Klang. Eine harte Aussprache, dieser Mann war sicherlich kein Deutscher. So sprachen Leute, die aus dem Osten kamen, hier war die Tschechei nahe.
»Ist es verboten, spazieren zu gehen?«
»Nein, aber nicht gut.«
»Wieso nicht?«
»Der Wald hasst es, wenn Menschen ihn betreten.«
»So, er hasst es also.« Ich schaute zu Boden und drückte mit der Fußspitze einen Abdruck in den Schnee. »Dann sind Sie bestimmt die rühmliche Ausnahme?«
»Ja.«
»Warum?« Ich lächelte harmlos, doch es nutzte nichts. Ich erhielt keine konkrete Antwort.
»Geh wieder! Geh zurück! So schnell wie möglich!«
Ich hielt meine Hände in den Taschen vergraben und nickte. »Und wenn ich nicht gehe?«,
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