0785 - Der Kinderschreck
fragte ich. »Schicken Sie dann wieder die Ratten, Meister?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein, die schicke ich nicht.«
»Wen dann?«
»Gehen Sie!« Er schaute mich noch einmal scharf an, drehte sich um und tauchte zwischen zwei dicht beieinander stehenden Tannen unter. Wie ein Schattenumriss hatte er sich hineingeschoben, ließ mich stehen wie einen Schuljungen, und ich fragte mich, ob ich mir die Begegnung eingebildet hatte.
Die Umgebung schwieg. Auch der Rauch war nicht mehr so stark zu riechen. Irgendwo rieselte Schnee vom Baum. Der Himmel hatte sich noch stärker verdunkelt. Es roch nach Neuschnee. Ich aber ärgerte mich, denn ich ließ mich nicht so gern an der Nase herumführen. Dieser Wald war ein öffentliches Gelände, niemand hatte das Recht, mich zu verscheuchen, solange ich mich anständig benahm.
Auch nicht dieser komische Kerl mit dem ungewöhnlichen Hut.
Meine Neugierde hatte sich verstärkt. Zumindest wollte ich wissen, wohin er verschwunden war. Ich war für ihn ein Feind, und mich interessierte der Grund.
Ich fand die Spuren noch, wo der Mann gestanden hatte. Sie hatten sich in den Schnee eingedrückt, und dicht hinter ihnen wuchsen die Tannenzweige zusammen.
Ich drückte sie auseinander. Ein schmaler Pfad war mehr zu ahnen, als zu sehen. Ein Hohlweg, umgeben von Bäumen, deren Zweige die Lücken zumeist schlossen. Auf dem Boden lag kaum Schnee.
Wie eine dunkle, braune Rinne führte der Pfad durch das Dickicht der Nadelhölzer. Fußspuren sah ich nicht.
Der Mann aber musste diesen Weg genommen haben, und ich ging ihn auch. Immer geduckt, um nicht von den Nadeln erwischt zu werden. Hinter mir sprangen die Zweige wieder zurück in die ursprüngliche Lage. Der Pfad führte in Kurven weiter. Hinter jeder von ihnen erwartete ich eine Lichtung und wurde jedesmal enttäuscht, bis sich das Gelände leicht senkte. Dort standen die Bäume nicht mehr so dicht. Ich kam besser voran. Der Pfad näherte sich einer breiten Mulde, die nicht von Nadel, sondern von Laubbäumen umstanden waren.
Ich roch auch den Rauch wieder. Diesmal sogar intensiver und konnte mir vorstellen, sehr bald auf ein Haus zu treffen. Das wollte ich mir noch anschauen. Das Gelände ließ ein schnelleres Gehen zu, was ich auch ausnutzte – und in die Falle lief.
Ich hatte mit dem linken Fuß etwas Hartes berührt, wollte ihn anheben, da schnappte das Eisen zu.
Ich schrie auf, wollte das Bein nachziehen – und schaffte es nicht mehr.
Ich hing fest, drehte mich um und stellte mit Entsetzen fest, dass mein linker Fuß in eine Eisenfalle hineingeraten war…
***
In den folgenden Sekunden tat ich nichts. Ich schaute allerdings auf einen in der Nähe stehenden dunklen Baumstamm und musste erkennen, dass die Falle durch einen hart gespannten und widerstandsfähigen Draht mit ihm verbunden war.
Verflucht auch, das war mir noch nie passiert. Dabei konnte ich froh sein, dass das Gitter der Klappfalle nicht mit irgendwelchen Spitzen bedeckt war, denn sie hätten das Leder meines halbhohen Stiefels sicherlich durchschlagen. So aber klemmte ich nur fest, ohne eine sichtbare Verletzung davongetragen zu haben.
Die Falle zu lösen, war simpel. Man musste nur ein kleiner Herkules sein, um das halbrunde Eisen nach oben zu drücken. Die Feder, die es hielt, sah mir verdammt stark aus.
Ich blieb nicht stehen, sondern setzte mich auf den kalten Boden dicht neben die Falle.
Mein linker Fuß steckte fest, daran gab es nichts zu rütteln. Ich hatte beim Fallen das Bein auch etwas gedreht. Der Fuß zeigte einen Kick nach links. Der Rand der Falle lag auf meinem Knöchel. Mittlerweile spürte ich auch den Druck durch das starke Leder. Er würde bald wie eine Fessel wirken und mir das Blut stauen.
Ich war sauer auf mich und diesen Unbekannten, denn meiner Ansicht nach verdankte ich ihm diese Lage. So hatte ein Urlaub noch nie angefangen.
Da halfen keine Vorwürfe und kein Ärger. Ich hatte mir die Lage selbst zuzuschreiben und hätte die Warnung des Mannes beachten sollen. Doch das Aufstellen der Fallen war ebenfalls verboten, besonders dort, wo sich Menschen in der Nähe aufhielten. Wie leicht konnte sich ein Spaziergänger hier verirren.
Jedenfalls musste ich das Eisen nach oben drücken, um den Fuß hervorziehen zu können.
Ich startete den ersten Versuch – ließ mich enttäuscht zurücksinken. Das verdammte Ding hatte sich kaum bewegt. Es saß einfach zu fest, und ich zweifelte bereits, ob mir eine Befreiung aus eigener Kraft
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