0787 - Das Medium
zuging, schritt Anina zurück und drückte sich gegen die Wand. Ich brauchte die Frage nicht erst zu stellen, denn sie antwortete von allein.
»Er ist hier, John!«
***
Ich blieb stehen, schaute mich um und blickte auf die Treppenstufen. »Wo?«
»Noch nicht im Haus.«
»Aber Sie haben ihn gesehen, denke ich.«
»Ja. Draußen. Er schleicht hinter dem Haus entlang. Wie ein Dieb, der etwas ausspäht. Er… er ist uns auf die Spur gekommen.«
Ich schnaufte. Plötzlich hatte ich kalte Hände bekommen. »Gut, Sie haben ihn gesehen, wir wissen jetzt Bescheid, und ich frage Sie, ob Sie schon einen Plan haben.«
»Den habe ich.«
»Dann sagen Sie ihn!«
Anina hielt den Mund. Stattdessen fasste sie mich an. Sie umklammerte mit ihren Händen meine Unterarme. »Ich möchte Sie zuvor etwas fragen. Etwas sehr Ernstes.«
»Gern. Tun Sie sich keinen Zwang an.«
»Vertrauen Sie mir?«
»Hm.«
»Sie müssen mir aber voll und ganz vertrauen!«, drängte sie.
»Wenn ich nicht verschwinden soll, muss ich mich für eine andere Möglichkeit entscheiden. Das bedeutet, dass wir ganz nah zusammenstehen und auf einer Seite sind. Das Vertrauen muss einfach da sein.«
»Ja, es ist gut.«
Obwohl Anina tief einatmete, war sie keineswegs beruhigter. »Ich habe doch mit Ihnen über bestimmte Fähigkeiten meinerseits gesprochen. Ich habe Ihnen gesagt, dass ich mich in andere Menschen hineinversetzen kann. Erinnern Sie sich. Wir befanden uns am Krater.«
»Stimmt.«
»Und diese Fähigkeit möchte ich ausprobieren. Ich werde mich Ihnen nähern, ich werde Ihnen sehr, sehr nah kommen, John. Näher geht es gar nicht mehr. Noch sind wir zwei Personen, aber wenn Sie zustimmen, dann werden wir bald eine sein. Wir beide werden miteinander verschmelzen. Ich werde mich in Ihnen verstecken, John.«
Sie schaute mir in die Augen. »Sind Sie damit einverstanden?«
»Muss ich das?«
Anina lächelte verloren. »Ihnen ist nicht wohl bei der Sache – oder?«
»Nein.«
»Aber es ist eine Chance, um gegen Dubbs bestehen zu können. Wir müssen ihn täuschen.«
Ich überlegte. Ein gutes Gefühl hatte ich nicht dabei. Auf meinem Rücken war es plötzlich kalt geworden. Die Haut im Nacken hatte sich zusammengezogen, und das Kribbeln rann schließlich bis zum letzten Wirbel durch.
»Bitte, John, sagen Sie ja. Ich möchte nicht immer wieder weglaufen. Ich weiß, dass ich Fehler begangen habe, die schon damals im Kloster anfingen…«
»Es ist auch schwer für mich.«
»Das streite ich nicht ab. Nur sind Sie der einzige Mensch, dem ich vertraue. Auch Sie vertrauen auf den Gegenstand, den ich nicht sehe, den Sie aber bei sich tragen.«
»Sie meinen das Kreuz.«
»Nicht nur einfach das Kreuz, sondern das besondere Kreuz, das nur Auserwählte tragen dürfen. Sie sind jemand, zu Ihnen habe ich deshalb Vertrauen. Sagen Sie ja.«
Es war wieder eine dieser Moment-Entscheidungen, die ich aus dem Bauch heraus fällen musste.
Ich stimmte zu.
Anina atmete auf. Sie zitterte plötzlich, dann aber veränderte sich ihr Gesicht, und plötzlich fing sie an zu lachen. Sehr leise, aber auch sehr erlöst. »Es ist wunderbar, John, dass Sie zugestimmt haben. Sie werden sehen, Sie haben es nicht zu bereuen, denn nur so bekommen wir Dubbs und können ihn auch ausschalten.«
»Okay, fangen Sie an.«
Wir standen uns beide gegenüber. Um mich zu erreichen, brauchte sie nur einen Schritt nach vorn zu gehen, was sie auch tat. Am Beginn dieser Bewegung sah ich sie noch als völlig normal an, da wies nichts auf irgendeine Veränderung hin, was sich allerdings änderte, als sie einen direkten Kontakt mit mir bekam.
Zuerst spürte ich den Druck, da war also noch Widerstand, und einen Moment später löste sich die Gestalt der Anina vor meinen Augen auf. Sie veränderte sich zu einem nebelhaften Schemen, der sich in meinen Körper hineindrängte, dabei aber noch mehr tat, denn ich spürte auf einmal die Kälte, die durch mich hindurchfloss wie Eiswasser und nichts in meinem Innern ausließ.
Fror ich ein?
Ich verkrampfte mich, es war ein Fehler. Ich zwang mich einfach dazu, locker zu sein, und als ich dies geschafft hatte, da klappte es auch. Ich konnte es akzeptieren, dass die andere Person in einer feinstofflichen Form in mir steckte.
Aus zwei war einer geworden!
Ich konnte es nicht fassen, denn diese Erfahrung war auch für mich wieder neu.
Wie musste ich jetzt handeln? Wie fühlte ich mich? Ich rechnete damit, anders zu reagieren als sonst. Wenn ich nach vorn
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