0796 - Larissas blutiger Weg
nicht.«
»Richtig.« Die Alte fasste blitzschnell zu – und überraschte Larissa damit total. Die Finger hatten sich in das Haar des jungen Mädchens gegraben, der Kopf wurde ihr nach hinten gedrückt, und das Gesicht näherte sich immer mehr der Stelle des Arms, aus der noch das Blut in kleinen Tropfen quoll.
Die Kräuterhexe kümmerte sich nicht um das Stöhnen der jungen Frau, die den Mund fest verschlossen hielt, so dass ihr Stöhnen in dumpfen Lauten mündete. »Du wirst den Mund öffnen und mein Blut trinken. Ja, du wirst an der Wunde saugen und dabei meinen Lebenssaft mit dem deinen vermischen. Er wird sich in deinem Körper ausbreiten und für einen großen Schutz sorgen. Ich habe mein Versprechen gehalten, ich habe dir mein Wertvollstes gegeben. Deshalb musst du dieses Geschenk annehmen, es wird dich schützen, und es wird dich stark machen, glaube es mir.«
Larissa hatte die Worte wie durch einen Filter gehört. In ihrem Kopf war alles dumpf. Sie glaubte, in einem tiefen bösen Traum zu stecken, aber das stimmte nicht. Der Traum war die schlimmste Realität, allein der Geruch erinnerte sie daran.
»Öffne deinen Mund. Lege deine Lippen an die Wunde und trinke meinen Lebenssaft!«
Es war ein Befehl, und Larissa hatte die Frau selten mit einer derartig harten Stimme sprechen hören. Der Druck auf die junge Frau verstärkte sich. Es war schon bewundernswert, woher die Alte derartige Kräfte nahm, und Larissa konnte sich einfach nicht wehren, sie schüttelte nur den Kopf.
Die Kräuterhexe verstand die Geste. »Du… du willst nicht?«, fragte sie böse.
Nicken…
Dann das hämische Kichern. »Wenn du nicht willst, erinnere ich dich an mein Messer. Ich lasse dich nur aus meinem Haus entkommen, wenn du das Blut getrunken hast – verstanden?«
Ja, sie hatte es verstanden, und sie war sich auch des Ernstes ihrer Lage bewusst.
Welche Chancen hatte sie?
Keine, sie musste, wenn sie weiterleben wollte, das verdammte Blut trinken.
»Tust du es?«
Larissa deutete ein Nicken an, und sie öffnete langsam den Mund.
Das musste die Alte mitbekommen haben, ein böses triumphierendes Lachen drang aus ihrem Mund, ein blitzschneller Druck gegen den Kopf – der letzte – dann lag Larissas Mund auf der Wunde.
Sie schmeckte das Blut. Es quoll noch immer hervor, es drang in ihren Mund, es lag auf ihrer Zunge, der Geschmack war einfach scheußlich, und wie aus weiter Ferne hörte sie die Stimme der Alten.
»Ja, mein Täubchen, ja, du musst trinken. Du musst es schlürfen, du musst es einfach genießen wie den köstlichsten Wein. Es kommt immer darauf an, was man tut, wie man reagiert, was man sich vorstellt. Alles andere kannst du ausschalten. Dieser Trank ist deine Zukunft.«
Und Larissa blieb mit dem Mund an der Wunde. Hatte sie zuvor ein wahnsinniger Ekel überkommen, so war dieser plötzlich verschwunden. Nicht dass sie sich an das Blut der alten Frau gewöhnt hätte, aber die Worte hatten sie schon aufgemöbelt und ihr die Angst genommen. Es konnte nur gut für die Zukunft sein.
Wie lange sie an der Wunde gesaugt hatte, konnte sie nicht sagen.
Irgendwann war es genug, das jedenfalls fand die alte Kräuterhexe.
Deren Hand drückte noch immer gegen Larissas Kopf, sie war im vollen schwarzen Haar verschwunden, und endlich konnte sich die junge Frau wieder aufrichten.
Sie bekam ein Tuch gereicht. »Damit kannst du dir die Lippen reinigen, meine Liebe.«
Larissa tupfte sich den Mund ab. Den Geschmack würde sie nie aus dem Mund bekommen und eigentlich hätte ihr jetzt schlecht werden müssen, was nicht eintrat. Sie schien sich tatsächlich an das Blut gewöhnt zu haben, und als sie die alte Hexe anschaute, sah sie auch deren Lächeln.
»Wie fühlst du dich?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wie ein Vampir?«
»Nein, ich lebe, aber ein Vampir ist doch…«
»Ja, er ist untot. Du hast auch nicht das Blut von einem Vampir getrunken, sondern das einer alten Frau, von einer besonderen Frau, von einer Hexe.« Sie redete schnell und ließ sich nicht stoppen. »Es ist wichtig, dass du dies getan hast, denn meine Zeit ist abgelaufen. Ich bin zu alt, aber ich bin nicht senil, deshalb habe ich schon vor langer Zeit über meine Nachfolgerin nachgedacht und dich dazu auserkoren. Ist das nicht wunderbar für dich?«
Dem wollte Larissa nicht unbedingt zustimmen. Es war ihr alles noch viel zu fremd, doch tief in ihrem Innern, da spürte sie, dass sich ihr Leben verändert hatte und auch noch weiter verändern würde. So wie
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