0796 - Larissas blutiger Weg
mein Freund herum, und er schaffte es auch, mich um die Ecke der Einfahrt zu werfen, so dass ich auf dem Gehsteig landete, dort den Halt verlor und auf dem harten Untergrund zusammenbrach.
Auch in Extremsituationen wie dieser funktionierten meine Reflexe. Ich schaffte es, mich abzurollen und dem Aufprall einen Teil der Wucht zu nehmen.
Meine Ohren füllten sich dabei mit wilden Geräuschen. Ich hörte das Brummen des überdrehten Motors, und auf dem Boden hinterließen die Reifen schrille Schreie. Ich bekam nicht mit, wie weit sie von mir entfernt über den Asphalt rasten. Ich hatte nur das Gefühl, in einer Wolke von stinkendem Gummi zu stecken, in die sich hinein noch die Auspuffgase mischten.
Ich schrie nach meinem Freund Suko. Wenn ich es schon nicht geschafft hatte, dann wenigstens er.
Ich erhielt auch eine Antwort.
Und die sagte mir genug.
Auch Suko hatte es nicht geschafft.
Als ich mich aufstemmte und hinkniete, stand Suko nicht weit von mir entfernt. Mit der Schulter hatte er sich gegen ein Haus gelehnt und hielt seinen Oberschenkel.
»Bist du verletzt?«, rief ich ihm zu.
»Kaum«, gab er knirschend zurück. »Der verdammte Wagen hat dich verpasst, aber mich geküsst. Ein paar blaue Flecken werden wohl zurückbleiben.«
»Und was ist mit Larissa?«
Schon böse schaute Suko mich an. »Frag lieber nicht, John, frag nicht…«
***
Eine Bar um Mitternacht ohne Gäste kann ganz schön deprimierend sein. Das erlebte die Moskau-Bar, denn nichts lief mehr. Chiefinspector Tanner und seine Mannschaft hatten alles im Griff. Gäste brauchten nicht verhört zu werden, schließlich stand fest, wer den Besitzer Valentin Smirnow umgebracht hatte.
Larissa hatte ihr viertes Opfer gefunden, und sie war uns entwischt. Eine Tatsache, die uns nicht gerade zu fröhlichen Menschen machte. Auch Tanner war sauer, wenn auch nicht am Boden zerstört, aber er war weit genug davon entfernt, uns Vorwürfe zu machen. Zwar war die Fahndung nach dem Clio angelaufen, aber sie würde sicherlich nichts bringen. Wenn das Fahrzeug gefunden wurde, dann sicherlich ohne Fahrerin, denn ihr trauten wir zu, sich schnell genug abzusetzen.
Tanner setzte sich zu uns. »Ich weiß, wie euch zumute ist, aber aufgehoben ist nicht aufgeschoben.«
»Du denkst, dass wir sie kriegen?«
»Später, Suko.«
»Hoffentlich nicht zu spät«, sagte ich. »Vier Tote, vier furchtbar zugerichtete Leichen, das ist einfach zu viel. Jetzt hat sie freie Bahn, sie wird London bestimmt verlassen und ihrem Trieb folgen, der in ihr steckt. Es geht da um eine gewisse Mamutschka, aber das weiß ich alles nicht genau.«
Tanner lächelte. »Einen Erfolg haben wir trotzdem erreicht. Die Moskau-Bar wird es in der alten Form nicht mehr geben. Wir werden sie schließen.«
»Das ist nicht unser Bier. Ich will Larissa.«
»Sie wird Spuren hinterlassen, John. Vielleicht nicht heute, auch nicht morgen, aber du wirst auf sie stoßen.«
Ich schaute ihn nur an, verschluckte eine Antwort und spürte zum ersten Mal, wie müde ich war.
»Man kann nicht immer gewinnen«, murmelte Suko.
»Stimmt, aber man darf auch nicht zu oft verlieren…«
ENDE
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