0802 - Besuch aus der Hölle
und damit die Bildmalerei und Ikonographie zu der Darstellung beeinflusst hatte, die die meisten Menschen vor sich sahen, wenn sie das Wort »Teufel« hörten.
»So?«, sagte die Griechin verwundert. »Wer seid ihr dann?«
»Menschen wie Sie auch«, versicherte Nicole.
»Das glaube ich nicht. Das will ich nicht glauben!«
Da sich die Diskussion überhaupt nicht nach Zamorras Geschmack entwickelte, lenkte er ab. »Und mit wem haben wir die Ehre?«
»Lukos.« Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Paola Lukos. Ich bitte um Verzeihung für die Nachlässigkeit, dass ich mich noch nicht für die Rettung bedankt habe.«
»Nicht der Rede wert«, wiegelte Nicole ab. »Wir werden Sie nach Hause bringen.«
»Wohin waren Sie unterwegs?«, fragte Zamorra.
»Interessieren Sie sich wirklich dafür?«
Schmunzelnd bemerkte Zamorra, dass die junge Griechin unbewusst ebenfalls in das distanzierte Sie verfallen war. Offenbar realisierte sie langsam, dass sie es tatsächlich mit Menschen zu tun hatte.
»Aber sicher«, bestätigte Nicole.
»Ich war auf dem Weg nach Hause«, begann Paola. »Ich besuchte meinen Bruder, weil…«
Zamorra bekam von der folgenden ausschweifenden Erklärung nur die Hälfte mit. Hellhörig wurde er allerdings, als irgendwann in dem Redeschwall plötzlich von einem Mord die Rede war.
»Ein Engländer?«, fragte Nicole in diesem Moment, die besser zugehört hatte als er.
Paola Lukos nickte heftig. »Man fand ihn gestern Abend, und man sagt, er sei bestialisch zugerichtet worden. Als sei…« Sie verstummte plötzlich und hielt sich für einen Moment die Hand vor den Mund. »Aber… könnte es denn nicht sein, dass…«
»Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass der Dämon, der Sie angegriffen hat, für den Mord verantwortlich war«, bestätigte Nicole.
»Man redet in letzter Zeit von seltsamen Dingen«, deutete die Griechin an.
»So?«, fragte Zamorra.
»Ich hielt es die ganze Zeit für übertrieben, doch nach dem, was ich heute erlebt habe, beurteile ich das jetzt anders.«
»Immer weiter!« Zamorra war gespannte Aufmerksamkeit.
»Die alten Frauen erzählten, dass sie den Teufel auf einem Besen haben über den Olivenbäumen reiten sehen, einen Feuerschweif hinter sich herziehend.«
Zamorra verdrehte die Augen. Das war typisch abergläubisches Geschwätz, das mit der Realität nichts zu tun hatte.
»Seit wann erzählt man sich diese Geschichten?«, fragte Nicole.
»Schon immer«, antwortete Paola. »Allerdings hat das Gerede in den letzten Tagen deutlich zugenommen.«
»Und hat man den Mord mit dämonischen Mächten in Zusammenhang gebracht?« Nicole stützte die junge Griechin, die in diesem Moment stolperte und sich nur mühsam abfangen konnte.
»Offiziell natürlich nicht.« Paola sah nachdenklich aus.
»Aber inoffiziell schon«, vermutete Zamorra.
Paola nickte. »Und wenn ich erzähle, was mir widerfahren ist, wird es niemand mehr bezweifeln - außer Korkonis.«
»Wer ist Korkonis?«
»Der Polizeibeamte, der den Mord untersucht.«
»Sie sind erstaunlich gut informiert, Paola.«
Sie lachte. »Das ist allerdings nicht verwunderlich. Schließlich ist Kommissar Korkonis der einzige Polizist auf Paxos.«
»Eine illustre Persönlichkeit also«, schloss Zamorra. Jetzt hatten Nicole und er ein neues Ziel. Ein Gespräch mit Kommissar Korkonis konnte vielleicht aufschlussreich sein…
***
Andrew Millings war innerlich aufgewühlt wie schon seit sehr vielen Jahren nicht mehr.
Nicht nur, dass er die Höllenmächte auf seiner Fährte wusste, jetzt war auch noch Diana in sein Leben getreten. Es musste eine Ewigkeit her sein, dass er zum letzten Mal einen Menschen über sein Geheimnis aufgeklärt hatte.
So lange schon lebte er allein.
Allein und einsam.
Doch jetzt war alles auf einmal geschehen. Die Ereignisse hatten sich überschlagen. Und Diana war nicht mehr aus seinem Leben wegzudenken. Dadurch, dass er sich ihr offenbart hatte, war eine innige Nähe zwischen ihnen entstanden.
Ihr ging es nicht anders als ihm, denn auch für sie hatte sich von einem Tag auf den anderen alles verändert. Ihr Bruder war ermordet worden - und das, wie sie nun akzeptiert hatte, von einem Dämon. Durch diese Erkenntnis war ihr Weltbild aus den Fugen geraten.
So war es nicht verwunderlich, dass sie beide Schutz und Geborgenheit beieinander suchten. In einer auseinander brechenden Welt gaben sie einander Halt.
Doch zugleich wussten sie beide, dass ihre Beziehung nicht von Dauer sein konnte. Denn
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