0804 - Die Frau mit den Totenaugen
gibt.«
»Sie werden lachen. Das glaube ich Ihnen sogar.«
»Ach – so plötzlich?«
»Ja. Ich gehe davon aus, dass sie nicht mehr hier ist. Dennoch zeigen Sie mir, wo sie gewohnt hat.«
Dinah Hurt kicherte plötzlich. Als ihr dies bewusst wurde, presste sie die Hand rasch gegen den Mund. Das Geräusch verstummte. Glenda hatte es trotzdem gehört, sie warf ihr einen scharfen Blick zu, sah aber nur den Glanz in den Augen der Frau, dem sie nicht traute. Sie konnte ihn nicht einschätzen. Sie wusste nicht, ob es Freude oder Triumph war. Plötzlich hatte sie das Gefühl, mit ihrem Wunsch etwas Falsches ausgesprochen zu haben.
James war aufgestanden. Er strich über seinen Bauch, und Glenda wartete darauf, dass er die Kralle zog, die aber ließ er stecken.
»Sie sind ein Quälgeist«, erklärte er mit nicht eben überzeugender Stimme. »Sie wollen mit dem Kopf durch die Wand und denken nicht daran, wie leicht man sich das Genick brechen kann.«
»Das lassen Sie mal meine Sorge sein.« Glenda war bissig geworden. »Mein Kopf hat schon einiges ausgehalten. Aber etwas anderes. Wenn ich Sie so reden höre, dann kann ich den Worten entnehmen, dass meine Freundin hier gelebt hat.«
»Tja, es könnte sein.«
»Hat sie nun oder hat sie nicht?«
»Geht doch nach oben!«, schlug Dinah Hurt mit krächzender Stimme vor. Sie trieb die beiden förmlich aus dem Raum. Glenda beschloss, noch misstrauischer zu sein. Sie konnte sich vorstellen, dass einige Überraschungen auf sie warteten.
»Wo muss ich hin?«
Hurt deutete gegen die Decke. »Nach oben. Dort befinden sich unsere Gästezimmer.«
»Auch das meiner Freundin?«
»Da hat jemand gewohnt.«
»Und ist ausgezogen?«
Hurt gab sich verlegen. Er bewegte unruhig die Schultern. »Nun ja, so kann man das nicht sagen. Sie hat uns erst einmal verlassen, denke ich.«
»Wohin ist sie gegangen?«
»Zumindest wollte sie nicht nach Haus zurückfahren, das steht fest, meine Dame. Sie hat sich wohl zurückgezogen. Irgendetwas muss mit ihr geschehen sein. Sie wollte jedem Trubel entwischen und sich in die Einsamkeit begeben.«
»Das soll ich Ihnen glauben?«
»Sie müssen es nicht, aber es entspricht der Wahrheit. Glauben Sie mir das, meine Liebe.«
»Hat sie denn gesagt, wann sie zurückkehrt?«
Hurt schaute seine Frau an. Als diese in einer übertrieben anmutenden Geste die Schultern hob, tat er das gleiche. Beide wollten keine Ahnung haben.
Glenda fühlte sich von ihnen vorgeführt. Beide gaben Häppchenweise zu, etwas zu wissen. In diesem hinterlistigen Spiel hatten sie zentrale Rollen inne, und Glenda merkte, wie allmählich die kalte Wut in ihr immer höher stieg.
Dieses Paar wusste viel, vielleicht sogar alles. So alt und schwach, sie sich gaben, waren sie bestimmt nicht, auch wenn sich James Hurt den Rücken hielt und über sein Rheuma jammerte.
»Ich werde dir deine Salbe holen. Sie steht bereit, wenn du zurückkehrst.«
»Das ist lieb von dir, Dinah.«
Glenda wollte Nägel mit Köpfen machen und sagte deshalb: »Gehen Sie bitte vor!«
Hurt winkte mit beiden Händen ab. »Keine Sorge, Miss Perkins, das geht alles in Ordnung.« Er ließ seinen Blick über den Körper der Frau wandern und sah eine Person, die eine flotte helle Jeans trug, einen lindgrünen dünnen. Sommerpullover mit einem Zopfmuster. Auf dem Pullover schimmerten als Applikation zwei Kreise aus dunkelgrünen Perlen.
»Bis gleich«, sagte er zu seiner Frau, bevor er mit einem Ruck die Tür öffnete.
Hurt wollte Glenda vorgehen lassen, die aber schüttelte den Kopf. »Nein, nach Ihnen.«
»Wie Sie wollen.« Er trat in den Flur, der ziemlich breit angelegt worden war, um Platz für die vier Tische nebst Stühlen schaffen zu können. Dort saßen die Pensionsgäste und frühstückten. Nun aber waren Tische und Stühle verwaist.
Hurt ging auf die Treppe zu. Er ließ sich Zeit und bewegte sich mit schwerfälligen Schritten, als hätte er über ein Problem nachzudenken. Glenda blieb auf der Hut. Sie ärgerte sich im Prinzip darüber, dass sie sich von John Sinclair nicht eine Waffe hatte geben lassen. Dann wäre ihr etwas wohler gewesen.
Hurt stampfte die Treppe hoch. Er hatte kein Licht eingeschaltet, deshalb überwogen die Schatten. Sie gefielen Glenda nicht, denn sie waren so etwas wie gefährliche und düstere Todesboten. Als der Mann das Ende der Treppe erreicht hatte, trat er zur Seite, blieb stehen und drehte sich um.
Glenda erreichte ihn. Im Halbdunkel sah sein Gesicht aus wie ein grauer
Weitere Kostenlose Bücher