081 - Hexentanz
in die Flucht schlug.
Frühe Melancholie zeichnete die Mundwinkel und gab dem ebenmäßigen, hübschen Gesicht einen tragischen Zug.
Armand Clouet trug einen dunkelblauen Anzug mit feinen Nadelstreifen, weißes Hemd mit Querbinder und schwarze Lackschuhe.
Der Teufel mochte wissen, für wen er sich so fein gemacht hatte in seiner Eremitenklause, die er nach allen Aussagen nur widerwillig und gelegentlich verlassen hatte, um ruhelos durch das Hotel zu streichen, immer in panischer Angst vor dem nächsten Geburtstag, der ihn mit tödlicher Sicherheit wieder ein gutes Stück dem Jenseits entgegenschob. Denn anders als bei jedem anderen Menschen wußte Armand Clouet genau, wann ihn der Tod ereilen würde. Für ihn gab es keine Rettung und keine Hoffnung. Seit er denken konnte, lebte er mit diesem teuflischen Fluch, der ihn morgen ereilen sollte.
Armand Clouet erholte sich langsam von seinem Schock. Bald war er fähig, Rede und Antwort zu stehen.
Die Ähnlichkeit mit mir schien nicht ganz so stark wie Blanche Morgan festgestellt haben wollte. Sicher, ich trug auch einen Kinnbart. Haarfarbe, Gesichtsform und selbst die Nase stimmten überein. Aber Armand hatte wesentlich dunklere Augen. Und ich durfte mir schmeicheln, daß ich jünger aussah als er. Angst und Unruhe hatten sein Gesicht gezeichnet und frühzeitig altern lassen. Dazu kam dieser starke melancholische Einschlag um die Mundpartie. Nein, ich selbst fand nicht, daß wir als Zwillingsbrüder durchgehen konnten. Allenfalls bei flüchtiger Betrachtung.
Diese Feststellung beruhigte mich.
Armand Clouet richtete sich langsam auf.
Er strich sich fahrig über die Stirn. Sicher schämte er sich, weil wir ihn in so hilfloser Lage angetroffen hatten. Seit er denken konnte, bereitete er sich auf die Rolle vor, die er in diesem Drama zu spielen hatte. Sein ganzer Ehrgeiz zielte darauf ab, den letzten Akt in möglichst aufrechter Haltung zu absolvieren, wie es einem Mann gebührte.
»Was ist passiert, Armand?« fragte Madame Clouet traurig.
»Ich habe das Schwert in die Hand genommen«, berichtete Armand Clouet. »Irgendwie habe ich am Griff herumgespielt und eine verborgene Feder ausgelöst. Ein Deckel – wie der Sprungdeckel einer Taschenuhr – hob sich, und, ich bemerkte ein winziges Bild, eine Federzeichnung in der geheimen Höhlung des Knaufs. Es handelte sich um eine ziemlich genaue Abbildung eines glücklichen Paares; Pierre Clouet und Fatima, eine Sarazenin, die sich umschlungen hielten. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Es zuckte durch mich wie ein elektrischer Schlag. Ich bekam Erstickungsanfälle und wälzte mich wie von Sinnen auf dem Boden.«
»Wo ist das Schwert jetzt?«, fragte ich.
Soviel wir auch suchten, die Waffe war verschwunden. Sie hatte dort gehangen, wo ich den hellen Fleck auf der Tapete bemerkt hatte. Aber das Schwert des Kreuzritters fand sich nicht mehr ein. Niemand konnte es genommen haben. Niemand von uns. Wer also hatte sich der Waffe bemächtigt?
»Nun lauf nicht wieder gleich in dein Zimmer und ergib dich der Schwarzen Magie«, ermahnte Armand Clouet seine Mutter. »Das hilft doch nichts. Du kannst nichts ändern.«
»Es ist das letzte, auf das ich hoffen kann«, widersprach die alte Dame. »Ich habe das Haus mit Talismanen, Amuletten und Abwehrzauber gegen Dämonen und böse Geister vollgestopft. Ich möchte nicht noch einmal erleben, wie der Mensch, der mir am nächsten steht, elend stirbt, vom Fluch der hübschen Hexe ereilt wird, die Pierre Clouet aus dem Morgenland in die Ardennen verschleppt hat.«
Armand Clouet richtete sich vollends auf, erhob sich vom Boden und bat um einen Schluck Cognac.
Sein Gesicht war geisterhaft bleich. Ich merkte, daß er sich gewaltsam zusammenriß. In Wirklichkeit hatte ihn der Zwischenfall ziemlich mitgenommen. Nur seiner Mutter zuliebe spielte er den Unbewegten.
»Nehmen wir einmal an, es handelt sich um einen bösen Zauber, der jeden männlichen Nachkommen Pierre Clouets zu einem bestimmten Termin zum Selbstmord zwingt – so etwas nutzt sich doch ab mit der Zeit. Wer sagt, daß der Fluch wirksam genug ist, um auch mich dazu zu bringen, Selbstmord zu begehen?«
Da war nicht viel Hoffnung in Armands Stimme.
Seine Mutter reagierte entsprechend.
»Das glaubst du doch selbst nicht. Wir müssen irgendetwas finden, was diesen Dschinn von unserer Spur ablenkt«, murmelte die alte Dame.
»Was ist das – ein Dschinn?« fragte ich.
»Ein männlicher oder weiblicher Dämon der
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