0815 - Die Höllenbestie
sie ebenfalls.« Die Mutter drückte gegen ihre Wunde. »An dieser Stelle hat es ihn erwischt.«
Der nächste Ruck brachte sie auf die Beine. »Aber es war nicht schlimm, denn mein Jory ist verdammt stark. Er kann sich gut dagegen wehren. Er ist eine wunderbare Person, und wir beide sind uns so gleich.« Ihre Augen schimmerten jetzt hellrot, als würden sie allmählich von einer im Körper treibenden Energie aufgeladen. »Ich weiß auch, dass er zu mir kommen wird. Er kann mich nicht im Stich lassen, er gehört zu seiner Mutter.«
Suko hatte genau zugehört und sich jedes Wort gemerkt. Mister Amok stand in dem gleichen Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Mutter wie diese zu ihm. Der eine konnte nicht ohne den anderen existieren. Sukos Überlegungen schlugen regelrechte Purzelbäume.
Er dachte darüber nach, was wohl geschehen würde, wenn er die Frau tötete. Starb dann auch ihr so über alles geliebter Sohn?
Die Mutter schien Gedanken lesen zu können. »Du denkst Schlimmes, nicht wahr?«
»Nicht für mich.«
»Was dann?«
»Ich könnte dich töten.«
Sie lachte. »Wie denn?«
»Ich habe eine Peitsche. Sie würde dich vernichten. Du würdest verbrennen, verkohlen…«
»Hör auf!« Plötzlich fand die Mutter das Gespräch nicht mehr so spaßig. »Hör nur auf.« Sie bewegte sich zur Seite, von Suko weg.
Dann hob sie den linken Zeigefinger. »Ja, vielleicht bringst du es sogar fertig, mich zu töten. Aber nur vielleicht. Sollte das jedoch eintreten, wird Jory reagieren.«
Ihr Lächeln wurde teuflisch und gemein. »Du kannst es mir glauben oder nicht. Er ist hierher unterwegs, aber er ist nicht allein. Sein Bruder befindet sich bei ihm, und Jory hat eine Waffe. Er wird nicht zögern, sie einzusetzen.«
Bluff oder kein Bluff? Suko wusste es nicht. Er dachte nach. Darauf ankommen lassen wollte er es nicht. Bei dieser Antwort jedoch hatte ihn eines gestört. Von Sukos Freund John Sinclair war nicht die Rede gewesen.
War der schon aus dem Rennen?
Er hoffte es nicht, und er nickte der Frau zu. »Ja, ich habe dich verstanden.«
»Das ist gut. Manchmal sind Menschen auch vernünftig. Wie schon gesagt, versuche es nicht.«
»Und wir warten auf ihn?«
»Ja, das werden wir.«
»Wann kommt er?«
»Jory ist bereits auf der Fahrt hierher. Ich spüre ihn. Mit jeder Sekunde kommt er näher.« Sie öffnete den Mund und drehte den Kopf dem Fenster zu.
Da aber war nichts zu hören, ausgenommen die Stimmen der feiernden Nachbarn.
Eine halbe Minute verging. Amy hatte sich gesetzt. Sie starrte die Mutter an. Auch über deren Anblick war sie mittlerweile hinweggekommen. Allerdings schwieg sie. Kein Wort drang über ihre Lippen.
Die Stille hatte etwas Gefährliches an sich. Hier belauerte jeder jeden. Man sehnte es nicht herbei, aber man wartete auf einen bestimmten Augenblick.
Der trat urplötzlich ein.
Die Mutter merkte ihn zuerst. Sie stöhnte auf. Freudig und gleichzeitig erregt. »Jetzt sind sie da!«
In diesem Augenblick hörte auch Suko, wie vor dem Haus ein Wagen geparkt wurde…
***
Oxford ist nicht eben das, was man als eine Großstadt bezeichnen kann. Oxford ist aber auch nicht klein und erst recht kein Dorf. Mir jedenfalls kam die Stadt in dieser Nacht riesengroß vor, denn für mich ging es nicht nur um Minuten, hier zählten schon Sekunden.
Ich musste zu den Lesters.
So idyllisch und ruhig sie wohnten, ihr Haus stand ziemlich weit entfernt. Zu Fuß würde ich einfach zu lange brauchen, um es rechtzeitig zu erreichen.
Ein fahrbarer Untersatz musste her. Den kleinen Park hatte ich verlassen und schaute mich in einer normalen Straße nach einer Fahrgelegenheit um. Wenn es keine andere Möglichkeit gab, wollte ich mir ein Fahrrad »ausleihen«. Damit war ich immer noch schneller als zu Fuß.
Ich hatte Glück.
Es war eine junge Frau, die aus einem kleinen Café kam und zu ihrem Honda ging.
Blitzschnell war ich bei ihr. Sie hatte soeben die Fahrertür aufgeschlossen, als ich wie ein Gespenst neben ihr stand.
»Was… was wollen Sie?«
»Ihr Auto.«
Ich zeigte ihr meinen Ausweis. Ob sie las, was dort stand, konnte ich nicht beurteilen. Ich streckte ihr nur die Hand entgegen und forderte den Schlüssel.
Sie war so perplex, dass sie ihn hineinfallen ließ.
»Danke«, sagte ich und tauchte schon weg.
»Aber ich habe…« Der Rest ihrer Worte ging unter im Motorgeräusch.
Sekunden später schaute die Frau nur gegen die Heckleuchten ihres eigenen Fahrzeugs. Ich würde es ihr später zurückbringen,
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