0815 - Die Höllenbestie
mich entschuldigen und der Dame auch einen Blumenstrauß überreichen.
Jetzt durfte ich nur eines nicht.
Zu spät kommen!
***
Die Stille im Zimmer hatte sich noch mehr verdichtet, und sie wurde durch einen brutalen Krach zerstört, als Mister Amok mit seiner immensen Kraft die Haustür eintrat.
»Jory, mein Junge!« schrie die Mutter.
»Ich bin hier!«
Suko hörte ihn zum ersten Mal sprechen. Die dumpfe Stimme hinterließ bei ihm einen Schauer. Das war kein Mensch, das war eine schreckliche, von der Hölle angetriebene Mordmaschine. Der Inspektor war nur gespannt, ob die Aussagen auch zutrafen. Wenn ja, dann würde Jory das Haus nicht allein betreten.
Er lauschte den Schritten.
Die harten, fordernden mussten von Jory verursacht worden sein.
Damit dokumentierte er seine Entschlossenheit und seinen Willen, es zu versuchen.
Von Jake hörte Suko nichts.
Aber er sah ihn.
Jake und Jory bildeten zwei Schatten, die so dicht beisammen standen, als wären sie eins.
Hinter ihm stand Amy auf. Auch sie hatte das Schreckliche gesehen, und wenig später traten die beiden ins Licht.
Jory war Sieger, sein Bruder hatte verloren.
Das aus dem Garten hereinfallende Licht reichte Suko aus, um erkennen zu können, dass Jake Lester nicht verletzt worden war. Er konnte sich normal bewegen, auch wenn er durch die mörderische Waffe seines seltsamen Zwillingsbruders bedroht wurde.
Jory stieß ihn vor, hielt ihn aber fest. In der rechten Hand trug er die Mordwaffe, und ihre Mündung wies an Jakes Hüfte vorbei in das Zimmer hinein, wo sie die anderen bedrohte.
»Da seid ihr ja«, stöhnte die Mutter. »Und wieder vereint. Wie wunderbar es doch ist.«
Das konnte Amy Lester nicht unterstreichen. Sie wollte etwas sagen, aber der Anblick war so schrecklich für sie, dass ihr nur ein Stöhnen übrig blieb. Der Mund war ihr verschlossen, als hätte ihr das Grauen den Mund zugeklebt.
Jake Lester stolperte in das Zimmer. Suko erkannte ihn jetzt besser. Der Lehrer sah erbarmungswürdig aus, und Suko hätte ihn gern nach John Sinclair gefragt, brachte es in dieser Lage jedoch nicht fertig. Dafür sprach Jake selbst.
»Er lebt noch, Sinclair lebt noch. Er…«
Der Schlag in den Nacken schleuderte ihn zu Boden. Vor den Füßen des Killers blieb er liegen.
Und Suko zog seine Waffe.
Als Jory wieder aufschaute, da blickte er in die Mündung der Beretta. Sie zielte direkt auf sein Gesicht. Suko hatte den rechten Arm ausgestreckt und die Stirn ins Visier genommen. An der linken Seite sah er die Wunde. Sie warähnlich groß wie die bei seiner Mutter, und auch die Flüssigkeiten unterschieden sich kaum.
»Auch du kannst sterben, Jory!«
Mister Amok schüttelte den Kopf, als könnte er es nicht wahrhaben. Dann hob er das rechte Bein. Er stemmte den Fuß auf Jakes Körper. Der Lehrer hatte sich wieder gerührt, was seinem »Bruder« nicht passte.
»Er hat geweihte Silberkugeln in der Waffe!« meldete sich die Mutter. »Er will es versuchen!«
»Dann ist mein Bruder tot!«
Suko hatte bereits geahnt, dass es darauf hinauslaufen würde.
Aber er gab mit keiner Geste zu erkennen, wie enttäuscht er war.
Vorhin, als die beiden den Raum noch nicht betreten hatten, da hatte er die Dunkelheit ausgenutzt, heimlich seine Dämonenpeitsche gezogen und einmal einen Kreis geschlagen. Die Riemen waren ausgefahren, die Waffe steckte jetzt einsatzbereit in seinem Gürtel. Wenn er und die Lesters aus dieser Situation heil herauskommen wollten, musste Suko die Nerven bewahren und im richtigen Moment das Richtige tun.
Er führte die Situation fort und nickte Jory sowie seiner Mutter zu.
»Es hat keinen Sinn«, sagte er. »Ich sehe es ein. Ich werde nicht mehr kämpfen.«
Die Mutter lachte.
Jory zwinkerte mit den Augen. Dass sie nicht normal waren, hatte Suko bereits gesehen. Sie glichen hellroten Kirschen, die in die Höhlen hineingedrückt waren.
»Was willst du tun?«
»Das«, erwiderte Suko und schleuderte die Beretta aus dem Handgelenk heraus durch das offene Fenster ins Freie.
Die Mutter fauchte. Sie hätte die Waffe gern bekommen. So traute sie sich nicht, das Zimmer zu verlassen und sie zu holen.
Amy Lester schluchzte. Sie wollte Suko ansprechen, nur Wortfetzen drangen aus ihrem Mund. Sie konnte es einfach nicht fassen, dass dieser Polizist so leicht aufgegeben hatte.
Selbst Jory entspannte sich. Er nahm seinen Fuß vom Körper des liegenden Jake weg. »Eine Familie«, sagte er. »Hast du das nicht immer gewollt, Mutter?«
»Ja, habe ich.
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