0818 - Die Gravo-Schleuse
nicht verwirrt, aber seinen Körper mit den hellroten, behaarten Schmuckbeulen umgedreht hatten.
Fliehen? Wie?
Er hatte aufgepaßt, wohin der Zweikörper-Varbe - sie nannten ihn „Varbilling" hier im Labyrinth - die Raumfahrer geführt hatte.
Sie waren so stark, daß sie nicht ein einzigesmal ihre schweren, schimmernden Waffen benutzt hatten.
So stark wie er selbst. Außerdem wußte er die Richtung und verschiedene Einzelheiten des Weges, der ins Freie führte, er hatte sich den Weg gemerkt, als sie ihn unter Umgehung der Schleuse von Dacommion hierher ins Irrenhaus zurückgebracht hatten. Damals, mit seinem seitenverkehrten und ruinierten Körper.
Immer wieder hatte er sie beschworen, ihn starten zu lassen. Denn er war handlungsfähig, wenn auch unvollkommen.
Nichts zu machen.
Ihre Sprache hatte er bald gelernt, und dann verstand er auch ihre Antwort. Sie war so lakonisch einfach wie sie grundfalsch war.
„Sie sind ohne Gravitationsbewußtsein. Sie sind krank und hilflos. Wir werden Sie pflegen, und wir tun es gern. Aber Sie werden bis zum Ende Ihres Lebens auf die Vorzüge des Gravosinns verzichten müssen!"
„Aber ich hatte niemals einen Gravosinn!" Er hätte getobt und geschrien, aber sie blieben uneinsichtig.
„Jedes intelligente Wesen hat einen Gravobeutel. Er mag so oder anders aussehen, aber es ist nicht möglich, ohne dieses Organ zu existieren. Wir nehmen unsere Verpflichtung, Sie zu bewahren, gern auf uns. Es ist der Preis, den wir Intelligenzträger an das Universum zu zahlen haben, das uns so viele schöne Wunder und Lebensmöglichkeiten gibt." Und dann faselten sie noch etwas von einem Schweren Magier, dessen Gesetz bindend sei auf allen Welten von Varben-Nest.
Sroncholl wartete nur auf ein Zeichen. Dann würde er sich davonschleichen und versuchen, ohne Gewaltanwendung und möglichst unbemerkt in den Tagesraum zu kommen. Von dort führte eine Treppe aufwärts in den Eintrittsgang. Bei seiner Flucht - wenn es nicht anders ging - mußte er die Waffenlager öffnen und seine Mitinsassen bewaffnen. Im Schutz des Chaos konnte er flüchten, sich bis zum Raumschiff durchschlagen und die Fremden bitten, ihn ins herrliche System von Trohr zurückzubringen, wo man sie tagelang mit Ehrungen überhäufen und Spiele abhalten würde.
Er durfte aber nicht morgen früh ausbrechen. Das war zu früh.
Er durfte aber auch nicht riskieren, wie schon einmal, daß die Fremden ohne ihn starteten, weil er den rechten Zeitpunkt versäumt hatte. Unruhig bewegte er sich. Er war satt, sein Körper war kräftig und ausgeruht, denn alle Insassen wurden mit perfekter Sorgfalt behandelt und gefüttert, die Versorgung war teuer, man kannte keinerlei Einschränkungen. Aber er gehörte zu den wenigen, deren Verstand klar und leistungsfähig geblieben war. Und selbst sein Körper hatte nicht gelitten.
Im Gegenteil. Die vierhundert Tage hatten ihn trainiert und stärker als jemals zuvor werden lassen. Mit einem einzigen Schlag der rechten Hand konnte er das Auge eines Varben in dessen Schädel treiben, einen Arm oder ein Bein brechen oder die beiden Körperhälften auseinanderschlagen.
Der richtige Zeitpunkt mußte abgewartet werden.
Schon einmal waren die Raumfahrer hiergewesen. Sie würden wiederkommen, ganz sicher. Und dann schlug seine Stunde. Der Triumph von Sroncholl von Trohr. Nach mehr als vierhundert Tagen Gefangenschaft unter Irren und Mißgestalteten ...
Beruhigt schlief er ein.
Er ahnte, daß man auch die fremden Raumfahrer durch die Schleuse nach Dacommion schicken würde. Vermutlich kamen einige von ihnen genauso verstümmelt aus der Schleuse wie er damals, vor vierhundert Tagen.
Sroncholl wartete auf .seine Stunde. Sie würde kommen, zweifellos.
ENDE
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