082 - Die Geisterkadetten
umrandet waren. Der sonst gepflegte Bart Georges war filzig und verdreckt, und seine Augen blickten kalt ins Leere.
Was der Wirt in seiner Aufregung nicht bemerkte, war der widerliche, süßliche Geruch, der sich plötzlich im Raum breit machte.
»Wo kommst du her, Georges?« fragte er.
Der Bucklige wies in die Nacht hinter sich. »Von dort«, sprach er mit einer unsicher und hohl klingenden Stimme.
»Wir haben schon geglaubt du wärst tot. Man erzählte uns, du wärst ein Mörder, aber du bist unschuldig«, stieß der Wirt hervor. »Du kannst doch nicht schuldig sein, du warst immer ein großer braver Junge!«
Die Worte übersprudelten sich. Die lange angestaute Erregung brach sich Bahn. Es war für Jules Fresnac unsagbar wichtig, sich von Georges Unschuld zu überzeugen.
»Sag mir um Gottes willen, daß du unschuldig bist. Es kann nicht anders sein. Hörst du? Sag es.«
»Nein. Es ist alles wahr«, murmelte Georges, während er sich um die Tische herum zur Wand bewegte. Er nahm langsam eines der alten Schwerter von der Befestigung und betrachtete es mit dem neugierigen Blick eines Schulbuben.
»Dann stimmt es also«, keuchte Jules Fresnac entsetzt zurückweichend. »Aber du bist doch nicht tot?«
»Ich glaube doch.« Die Stimme des Buckligen klang leise, sanft und verschwommen. Er wog die schwere Waffe bedächtig in seinen Händen. Prüfend ließ er sie mehrmals durch die Luft pfeifen.
Plötzlich hielt er inne und kratzte sich seinen breiten Nasenrücken.
»Du kommst auch dran.« Seine Worte tönten mit einem Male scharf und klar. Er legte das Schwert auf den Tisch neben sich. Die Spitze berührte den Blumenkasten aus Messing. Das Metall gab einen verstohlenen Klang.
Der Wirt war bis an die Wand zurückgewichen. Seine Lippen zitterten und Tränen liefen ihm über die Wangen.
»Es ist unmöglich. Er kann doch nicht tot sein«, flüsterte er verzweifelt. Sein gesunder Menschenverstand wehrte sich heftig gegen den Gedanken einem lebenden Toten gegenüberzustehen.
Langsam, kühl und fast unbeteiligt aber doch mit tödlichem Ernst sagte der Bucklige: »Ich muß es tun Vater! Ich habe Durst, schrecklichen Durst nach deinem Blut.« Aus dem blutverkrusteten, verdreckten Gesicht ragten plötzlich ein paar gewaltige Eckzähne hervor.
»Beim lebendigen Gott«, murmelte Jules Fresnac, dem mit einem Male auch der widerliche Leichengeruch bewußt wurde, der dem Körper Georges entströmte.
Das Lampenlicht glänzte auf dem Schwert. Die an dem Messingkasten liegende Schneide schimmerte plötzlich so farbenprächtig auf, als wolle sie sich mit aller Gewalt bemerkbar machen. Der Untote beachtete es aber nicht mehr.
Langsam, Schritt für Schritt, näherte er sich dem vor Furcht gelähmten Wirt. Die zu Klauen geformten Hände des Buckligen suchten seinen Kopf und zogen ihn heran. Der Rachen Georges öffnete sich und das Gebiß wurde zur tödlichen Waffe.
Jules Fresnacs anfangs wild zuckende Glieder erschlafften. Leblos hing sein Körper an die Wand gepreßt.
Endlich löste sich der Untote von seinem Opfer. Er »taumelte durch den Raum auf die Tür zu und verschwand in der Dunkelheit.
***
In geradezu halsbrecherischem Tempo jagte der Citroen über die schmale Bergstraße. Die Reifen sangen und die Karosserie zitterte unter dem Schwung, mit dem Frank Connors den geliehenen Wagen in die Serpentinen hineinfuhr. Neben ihm saß mit bleichem, angespanntem Gesicht Pierre Fresnac. Auf dem Rücksitz hockte Barbara Morell, die nur unter der Bedingung, daß sie mitdurfte, die Privatmaschine von ihrem Vater losgeeist hatte. Eine zweimotorige Cessna, mit der sie im Nonstopflug bis Mantauban gekommen waren.
Wenige Kilometer vor ihrem Ziel war die Autostraße gesperrt gewesen, wodurch sie gezwungen waren, einen Umweg durch das Gebirge zu fahren. Einzelne Bauerngehöfte mit schmucklosen, weißgetünchten Steinmauern tauchten im Licht der Scheinwerfer auf und versanken wieder im Dunkel.
»Weit kann es doch wohl nicht mehr sein, Pierre?« fragte Frank, während er einen Gang zurück schaltete. Er starrte mit zusammengekniffenen Augen angestrengt durch die Scheiben. Höher und höher wand sich die Straße jetzt bergan. Man konnte in der Dunkelheit fast nur ahnen, daß der Abhang auf der linken Seite steil abfiel.
»Wenn wir über den Paß sind, sind wir auch gleich in Villaume«, antwortete Pierre Fresnac mit einer seltsam gequetschten Stimme.
Erstaunt sah Frank mit einem schnellen Seitenblick, daß dicke Schweißtropfen auf
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