082 - Die Geisterkadetten
Pierres Stirn glitzerten. Aber seine Aufmerksamkeit wurde gleich wieder von der Straße in Anspruch genommen. Eine neue, scharfe Rechtskurve tauchte auf.
Gerade als Frank das Tempo verlangsamte, umklammerten sehnige Finger seinen Arm. Die andere Hand Pierre Fresnacs versuchte nach dem Steuerrad zu greifen.
Frank Connors hatte keine Schrecksekunde. Sein rechter Ellbogen traf auf Pierres Backenknochen. Im letzten Augenblick gelang es ihm, den auf den Abgrund zuschleudernden Citroen herumzureißen. Sekunden später gab es einen gewaltigen Knall.
Die Frontscheibe zersprang, und die durch die Gewalt des Aufpralls sich verbiegenden Bleche des Wagens knirschten und kreischten markerschütternd. Dann herrschte Ruhe, und da die Scheinwerfer erloschen waren, auch eine undurchdringliche Dunkelheit. Frank Connors, der noch mit steifen Armen gegen das Steuerrad gestemmt saß, öffnete die Augen, die er im Moment des Aufpralls fest zusammengekniffen hatte. Seine Pulse und Schläfen hämmerten.
»Babs, ist dir was passiert?« fragte er heiser.
»Ich, ich glaube nicht«, kam eine klägliche Stimme aus dem Dunkel und ließ Frank erleichtert aufatmen.
»Pierre, was ist mit Ihnen?« Undeutlich konnte Frank jetzt die Konturen des neben ihm sitzenden Mannes ausmachen. Der Kopf Pierre Fresnacs hing vornüber. Er gab keine Antwort.
Hastig angelte Frank die kleine flache Taschenlampe, die er immer bei sich trug, aus seinem Jackett.
»Ist er tot?« fragte die ängstliche, verwirrte Stimme Barbaras.
Als der dünne Lichtstrahl Pierre traf, bewegte er sich. Langsam hob er den Kopf. Blut sickerte in dünnen Bächen über seine kalkig weiße Haut.
»Ich weiß nicht wie es passiert ist, Frank«, sagte Pierre leise mit flackernder Stimme.
»Ich verstehe«, murmelte Frank Connors beherrscht. »Wieder diese Stimme.« Er seufzte und setzte bitter hinzu. »Beinahe hätte sie ihr Ziel erreicht und wir wären so ganz nebenbei mit über die Klinge gesprungen.«
Pierre Fresnacs Zähne gruben sich in die Unterlippe.
»Dann wäre ich also um ein Haar zum Mörder geworden«, stöhnte er gequält.
»Hauptsache es ist noch mal gut gegangen. Wir werden schon dahinterkommen, was es mit dieser Stimme auf sich hat, und Sie davon befreien, Pierre.« Frank Connors versuchte seiner eigenen Stimme einen zuversichtlichen Klang zu geben, obwohl er im Augenblick selber etwas deprimiert war.
»Für den Rest des Weges werden wir jedenfalls unsere Füße benutzen müssen«, knurrte er bitter. Und genau so war es.
Der Citroen hatte sich in die scharfe Ecke eines hervorstehenden Felsens gebohrt. Der Motor des ramponierten Leihwagens sagte nichts mehr. Bis auf ein paar leichte Schrammen im Gesicht Pierres, war allen dreien nichts passiert.
Die beiden Männer nahmen Barbara in die Mitte und machten sich auf den Weg.
Der kühle Nachtwind ließ Pierre Fresnac frösteln. Zitterte er vor Kälte oder vor etwas anderem? Er wagte es nicht, sich die Frage zu stellen.
Eine unerklärliche Unruhe quälte ihn, und seine Schritte wurden immer schneller und raumgreifender. Ohne Hut und Mantel, nur mit seinem leichten Sommeranzug bekleidet, das Haar vom Wind zerzaust, die Krawatte flatternd, rannte er ein paar Schritte vor Frank Connors und Barbara Morell die leicht abfallende Straße entlang.
»Pierre«, rief Frank, der seinen und Barbaras Koffer trug.
»Hören Sie doch. – Sie brauchen uns nicht unbedingt davonzulaufen. Wir kennen den Weg nicht.«
Pierre Fresnac blieb stehen und ließ die beiden anderen herankommen.
»Entschuldigen Sie, Frank, aber ich habe so ein komisches Gefühl.«
In seinen Augen stand ein Ausdruck, als denke er an etwas Schreckliches. »Es ist aber nicht mehr sehr weit«, und schon hastete er wieder los.
»Komm Babs, wir dürfen ihn nicht aus den Augen verlieren«, mahnte Frank nach einigen Minuten keuchend. Undeutlich nur sah er noch Pierres Schatten, der plötzlich nach rechts verschwand.
Es war .ein schmaler, ansteigender Pfad, in den auch Frank und Barbara einbogen. Als sie im Zwielicht die dunklen Umrisse des Gebäudes mit dem Turm erblickten, blieben sie einen Augenblick verschnaufend stehen.
»Das dürfte der Gasthof Chateau sein, Frank«, sagte Barbara, insgeheim erleichtert, den Fußmarsch hinter sich zu haben.
Plötzlich hörten sie Pierre Fresnac schreien. Es war ein Schrei, der durch Mark und Beine ging.
Es lief Frank Connors kalt über den Rücken, und er fühlte ein Kribbeln an seinen Haarwurzeln. Mit langen Sätzen jagte er
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