082 - Die Geisterkadetten
fragend auf Simon.
Simon war der größte und stärkste unter ihnen, und was er bestimmte, war für die beiden anderen wie ein Befehl.
»An den Fluß, Fische fangen«, schlug Jacques vor. Die Jungen hockten sich im Kreis und überlegten. Eigentlich gab es rings um Villaume nichts, was sie nicht schon kannten. Und doch war immer, wenn sie das Dorf verließen, alles voller neuer Abenteuer.
Simon blinzelte in die Sonne und meinte plötzlich, »Bobbi soll entscheiden! Mach ihn von der Leine los, Marcel.«
Bobbi war ein Foxterrier und gehörte Marcel. Kaum war er frei, raste er laut* kläffend den Weg entlang der zu den Hängen hinaufführte.
»Auf, ihm nach«, brüllte Simon.
Die Jungen jagten hinter Bobbi her, aber sie holten ihn nicht ein. Während sie noch über das freie Feld liefen, verschwand der Hund schon zwischen den Stämmen des Waldes, der sich am Fuß des Hügels hinzog. Dann war nichts mehr von ihm zu sehen. Nur ein lautes Gekläff verriet die Richtung in die er gelaufen war.
Mit Holzknüppeln wilde Gefechte austragend durchstreiften die Jungen den Wald. Um den Hund kümmerten sie sich nicht mehr. Sie wußten, daß er sich nicht verirren konnte, da er die Wälder besser kannte als sie selbst.
Der Streifzug dehnte sich viel weiter aus als gewöhnlich. Manchmal sahen sie Bobbi wie einen weißen Pfeil zwischen den grünbraunen Stämmen dahinschießen, bis ein entferntes wimmerndes Jaulen sie aufschreckte.
Marcel pfiff. Es kam kein Bellen als Antwort wie sonst. Nur das Jaulen wurde etwas lauter.
»Bobbi!« rief Marcel und noch einmal, »Bobbi!«
»Vielleicht hängt er in einem dornigen Gestrüpp und kann nicht freikommen«, schrie Simon und rannte schon los.
An der Lichtung, die die Grenze zwischen Kiefern und Eichenwald bildete, sahen sie den Hund. Er lag immer noch leise jaulend vor einem Gewirr aus rohen Balken und Brettern.
»Mensch, die Hütte ist kaputt«, rief Jacques.
Die Hütte, die zwischen den fünf mächtigen hoch in den Himmel ragenden Kiefern auf der Lichtung gestanden hatte war nur noch ein Trümmerhaufen.
Der Foxterrier erhob sich, fegte auf die Jungen zu, umkreiste sie und rannte aufgeregt bellend ein paarmal zwischen ihnen und den Trümmern der Hütte hin und her. Schließlich blieb er mit heraushängender Zunge vor Marcel sitzen. Seine großen blanken Augen blickten den Jungen unverwandt an. Sie schienen zu sagen: Da ist etwas, du Dummkopf!
Marcel beugte sich zu ihm und kraulte das Ohr des Hundes.
»Was hast du denn, mein Guter?«
Bobbi stand auf, schüttelte sich, rannte erneut jaulend zu den Resten der Hütte und blickte sich zu den Jungen um.
Wie irrsinnig fing er an zu kläffen, als wollte er sie auffordern, endlich seinen Fund in Augenschein zu nehmen.
»Es stinkt so komisch«, meinte Marcel als sie neben dem Hund standen.
Simon und Jacques begannen in den Trümmern herumzuklettern. Sie rissen morsche Bretter beiseite und schleuderten sie in hohem Bogen fort. Durch das Gewicht der beiden Jungen löste sich ein schrägstehender Balken und gab Teile eines menschlichen Körpers – Kopf, Schultern und einen Arm – frei. Direkt vor Simon, der auf die Knie gefallen war lag die verkrallte Hand, bleich, sehnig und tot. Der schreckliche Rest war noch halb von den Trümmern bedeckt.
Sekundenlang schauten die beiden Jungen erschrocken in ein lebloses, bärtiges Gesicht aus dem ein paar blicklose Augen in den Himmel starrten. Dann arbeiteten sie sich in fieberhafter Hast aus den Trümmern heraus und rannten Marcel mit sich reißend bis an den Rand der Lichtung. Erst dort blieben sie verschnaufend stehen.
»Das war er«, sagte Simon tonlos, einen scheuen Blick zurückwerfend. Schon lief er, gefolgt von Jacques weiter.
»Wer war das? Was habt Ihr denn?« maulte Marcel, der noch nicht wußte was jetzt gespielt wurde. Etwas ratlos rannte er hinter seinen beiden Gefährten her. Als letzter trottete Bobbi in den Wald.
Die Lichtung lag wieder still und ruhig. Nur die Bäume rauschten im sanften Wind der über die Hänge strich.
***
Ganz London war an diesem Abend in ein unlustiges Grau getaucht. Es nieselte dünn aber beständig vom Himmel herab. Dem jungen Mann im Regenmantel, der an der St. Katharinen-Anlage vorbeischritt, schien das typische Londoner Wetter nichts auszumachen. Leise vor sich hin pfeifend schritt er dahin.
Frank Connors, seines Zeichens Journalist und Hobby-Kriminalist war fast immer chronisch gutgelaunt. Heute war er von seiner Bekannten und Kollegin Barbara
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