0822 - Flüstern, schreien, töten
würde ihn in sein Zimmer stellen, er würde Kraft aus ihm beziehen, damit sie auf ihn überging, und er würde letztendlich so sein wie er.
Niemand sah ihn durch die Nacht gehen. Und niemand sah, wie er die Tür der Kirche vorsichtig öffnete.
Durch seine Gestalt ging ein Ruck, kaum dass er die Schwelle übertreten hatte.
Er befand sich in einer anderen Welt. Er hörte plötzlich die hellen Stimmen, wunderschöne Harfenklänge hallten in seinem Kopf wider, sein Gesicht hatte sich verändert, es zeigte ein strahlendes Lächeln, und es kam ihm vor, als wäre die ölige Finsternis der Kirche von einem strahlenden Licht erhellt.
Ein halbes Dutzend Engel umstanden den kleinen Altar wie Wächter. Jede Statue für sich war ein kleines Kunstwerk, und Falco wusste nicht einmal, an welche er sich wenden sollte.
Er hatte ihnen noch keine Namen gegeben, das würde er jedoch bald tun.
Erst einmal wollte er sich treiben lassen, und das Schicksal würde ihm schon den Weg zu seinem Engel zeigen.
Vor dem Altar verneigte er sich. Dann ging er an der linken Seite vorbei und geriet in den Schein der vier Kerzen, die den Opfertisch umstanden.
Die Flammen brannten ruhig. Kein Windhauch bewegte sie, nur als Falco an ihnen vorbeiging, begannen zwei leicht zu flackern und zauberten ein zuckendes Muster auf den steinigen Untergrund. Er fühlte sich sehr wohl, als er vor den Engelsfiguren stehen blieb, zu ihnen hochschaute und dabei das Gefühl hatte, als würden sie sich vor ihm verneigen.
Seine Augen begannen zu strahlen, und für einen Moment hatte er das Gefühl, die Welt gehörte allein ihm.
Er legte den Kopf zurück, schaute gegen die Kuppeldecke, die sich vor seinen Augen geöffnet hatte, damit sie ihm den Blick in die Herrlichkeit des Himmels gewähren konnte.
Es war ein Wunder.
Er liebte es.
Er mochte diese große Weite, in der sie allein herrschten, die mächtigen Engel, für ihn ein Vorbild, denn so wie sie wollte auch er werden.
»Ich werde euch dienen!« rief er mit lauter Stimme. »Ich werde so werden wie ihr. Ich habe meine Bestimmung gefunden. Ich werde der einzige Mensch sein, der hinauf und hineinsteigt in das Reich der Engel, wo mich die Herrlichkeit umfängt. Niemand soll mich stören – niemand!«
Und die Engel neigten sich ihm zu. Er streckte ihnen die Arme entgegen, er wollte sie umfangen, seine Fantasie gaukelte ihm die herrlichsten Bilder vor.
Bis er von der Realität beinahe brutal eingeholt wurde!
Falco spürte den harten Druck einer Hand auf der rechten Schulter, deren Griff sich noch verstärkte, als er herumgerissen wurde.
»Bist du wahnsinnig?«
Falco konnte nicht reden. Sein Blick brannte sich fest in dem Gesicht des Priesters, der hier das Sagen hatte.
Der Mann war schon älter. Er funkelte ihn an, als hätte Falco etwas Schlimmes getan.
»Verrückt?« flüsterte er. »Ich soll verrückt sein?«
»Ja, das bist du!«
»Nein, ich bin nicht verrückt.«
»Du hast dich so benommen. Du hättest hören sollen, was du da von dir gegeben hast. Es war einfach schrecklich und schlimm. Worte, die ich nicht begreifen kann.«
Falco wusste nichts mehr. Er wusste auch nicht, ob er gesprochen hatte oder nicht. Die Zeit, die er bei den Engeln verbracht hatte, war an ihm vorbeigerauscht, aber er begriff sehr wohl, dass da jemand gekommen war, der seine Welt zerstören wollte.
Seine wunderschöne Welt!
Das konnte er nicht zulassen, das durfte auf keinen Fall geschehen, und er starrte den Pfarrer aus blutunterlaufenen Augen an. Der alte Mann hatte noch etwas sagen wollen, doch als er den Blick des Jüngeren sah, da zuckte er zurück.
»Was ist los?«
Falco ging vor.
Er bewegte sich schwerfällig, fast wie eine Maschine, aber er war nicht aufzuhalten. Neunzehn Jahre alt war er geworden, noch jung, aber das gab diesem alten Mann noch längst nicht das Recht, ihn einfach zu verspotten.
Nein, auf keinen Fall.
Der Pfarrer wich zurück, bis er plötzlich die Kante des Altars in seinem Rücken spürte.
Er drehte den Kopf, um nach dem Hindernis zu schauen. Noch in der Bewegung hörte er den irren Schrei, der auch aus dem Maul eines Dämons hätte stammen können.
Entsetzen packte den Mann. Er dachte an den Jungen, wandte sich wieder um und sah nur noch den Schatten.
Dann explodierte der Kerzenständer auf seinem Kopf!
In der folgenden Sekunde war es vorbei. Da lag er tot in seiner Kirche.
Und Falco lachte.
Er lachte sogar noch, als der Küster erschien und ihn niederschlug.
Er war des Mordes
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