0823 - Attacke der Ewigen
Gedanken einer ERHABENEN
Feinstes Gespinst durchwob einen Teil des Himmels und bildete filigrane Muster. Sie erschienen wie ein Koordinatengitter goldener Fäden vor dem strahlenden Blau, das Kore überspannte. Aus verborgenen Lautsprechern drang sphärische Musik und bildete ein einzigartiges Zusammenspiel mit den visuellen Eindrücken, die die Seele reinigen sollten.
Nazarena Nerukkar stieß einen tiefen Seufzer aus. Ein wohliges Gefühl von Wärme durchströmte ihren Körper, der von automatischen Massageeinrichtungen stimuliert wurde. Die wunderschöne Frau lag nackt auf einer Liege, der sie sich immer dann anvertraute, wenn quälende Gedanken ihren Geist zu lähmen drohten.
Heute war wieder einer dieser Tage. Sie hatte gehofft, sich ablenken zu können, wenn sie sich den schönen Dingen ihres Daseins hingab. Es war vergeblich. Weder die Massage entspannte ihren Geist, noch die optischen Darbietungen, die sie mit ihrem Dhyarra-Kristall geschaffen hatte.
Mit einem Ruck erhob sie sich und beendete das prächtige Schauspiel am Himmel. Die kunstvoll arrangierten Lichtphotonen kollabierten und verschwanden im Nichts, aus dem sie geschaffen worden waren. Zurück blieb der wolkenlose blaue Himmel über dem goldenen Planeten, den die Ewigen einst erobert hatten und der Nazarena Nerukkar seit ihrer Machtübernahme als Regierungssitz diente.
Die amtierende ERHABENE der DYNASTIE DER EWIGEN ging zu einer Aussichtsplattform, die die gläserne Kuppel wie eine Zunge durchstieß. Von dort aus hatte sie einen beinahe vollständigen Überblick über ihren prachtvollen Palast, der das Zentrum der goldenen Stadt dominierte. Er schimmerte in einem matten Goldion, der die Sonnenstrahlen geradezu aufzusaugen schien. Doch auch die Schönheit Kor es vermochte Nazarena nicht abzulenken.
Das Wissen um Gegenströmungen, die unsichtbar an ihrem Thron rüttelten, ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Die Gemäßigten unter den Ewigen formierten sich, weil sie den politisch radikalen Kurs der Hardlinerin ablehnten. Sie waren Schwächlinge, deren Zaghaftigkeit die Existenz der Dynastie gefährdete. Härte und Entschlossenheit waren unabdingbar, um die Vormachtstellung der Ewigen auf Dauer zu behaupten. Deshalb durfte es ihnen nicht gelingen, in Positionen der Macht aufzusteigen.
In letzter Zeit hatte die ERHABENE keine gegen sie gerichteten konkreten Ansätze ihrer Gegner gefunden. Die potentiellen Herausforderer verhielten sich zu ruhig, um nichts gegen sie im Schilde zu führen. Durch ihre fehlende Offensive erweckten sie den Eindruck, ihre Ambitionen auf Eis gelegt zu haben. Doch das besagte gar nichts. Vermutlich wetzten sie im Stillen ihre Messer, spannen ihre Intrigen und brachten ihre Figuren in Stellung, um im richtigen Augenblick zuzuschlagen.
Besonders Al Cairo, ihr ärgster Widersacher, machte kein Hehl daraus, dass er sie in ihrem Amt beerben wollte. Auf keinen Fall durfte sie ihn unterschätzen. Er war machtbesessen, skrupellos und über alle Maßen ambitioniert. Zudem suchte er ständig nach Verbündeten gegen die ERHABENE.
Einer dieser Verbündeten war Ted Ewigk.
Beinahe hätte Nazarena Nerukkar aufgelacht. Ewigk war nur ein Mensch, allerdings ein ganz besonderer. Er war nicht nur selbst einst ERHABENER der Dynastie gewesen, er besaß zudem immer noch seinen Machtkristall. Und er war mit Al Cairo befreundet, was die Sache verkomplizierte. Damit stellte er einen Faktor dar, den die Herrscherin von Kore nicht unbeachtet lassen durfte. Der Alpha selbst war viel zu gut gesichert, als dass sie sich Hoffnungen machen durfte, ihn auszuschalten. Daher war die logische Konsequenz, seinen potentiellen Verbündeten aus dem Weg zu räumen.
Ewigk war eine zentrale Figur in diesem Spiel. Allein aus diesem Grund musste sie etwas gegen ihn unternehmen. Eine Weile hatte sie mit dem Gedanken gespielt, Aiwa Taraneh auf ihn anzusetzen. Die äußerlich schwache und hilfsbedürftige Kindfrau, tatsächlich aber Nazarenas bestausgebildete und fähigste Killerin, war jedoch auf einer anderen Mission unterwegs, die keinen Aufschub duldete.
Doch es gab andere Möglichkeiten. Ein Mensch wie Ted Ewigk hatte viele Schwachstellen, an denen er angreifbar war. Seine größte kannte Nazarena Nerukkar. Wie einst Ariadne in der griechischen Mythologie hatte sie einen Faden ausgelegt, der Ewigk scheinbar in die Freiheit führte.
Um schließlich doch nur in seinem eigenen Untergang zu enden…
***
»Al Cairo!«
»So lange nicht gesehen und doch wieder
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