0830 - Der Tod des Unsterblichen
Ehemann legte. »Das ist schrecklich«, sagte sie mit erstickter Stimme.
»Ich kann nicht darüber reden. Noch nicht.« Gasser saß steif auf der Couch, die Hände zu Fäusten geballt. Er erwiderte die Umarmung Chantals nicht. Als er die Hände entspannte, bemerkte er, dass seine Finger zitterten.
Einen Herzschlag später sah er etwas, das ihn beinahe die Beherrschung verlieren ließ. Direkt neben seinem Mund pulsierte Chantals Halsschlagader. Sein Magen krampfte sich zusammen, und ein Würgereiz drohte ihn zu überwältigen, als dieser Anblick seine Begierde entfachte und er einen entsetzlichen Hunger spürte.
Er löste sich von Chantal, rückte von Grauen erfüllt von ihr weg, stand auf und taumelte einige Schritte rückwärts, bis er die Wand im Rücken spürte.
»Was hast du?«, fragte seine Ehefrau.
Er kam nicht mehr dazu, eine Antwort zu geben, denn in diesem Moment vernahm er den Ruf.
Seine Herrin schrie in schrecklicher Not.
Seine… Herrin? Wie kam er auf einen solchen Gedanken?
Hilf mir!, gellte es in ihm.
Ja, seine Herrin benötigte Hilfe. Die betörende schwarzhaarige Vampirin. Er kannte plötzlich sogar ihren Namen. Angélique.
Und er hörte nicht nur ihre Stimme in seinem Kopf, sondern auch viele andere. Die Stimme von denjenigen, die gleich ihm Angéliques Diener waren. Die anderen Vampire. Diejenigen, die Paris mit einer Spur aus Grauen und Tod überzogen hatten.
Seine Brüder…
***
In der Welt der Zeiten lief Angélique stur geradeaus. Sie hatte längst erkannt, wo sie wieder zu sich gekommen war, nachdem sie geglaubt hatte, von Sid Amos getötet worden zu sein. In der Welt der Zeiten, jener geheimnisvollen Dimension, in der sie zu dem geworden war, was sie heute war.
Der ehemalige Höllenfürst Sid Amos -ihr ehemaliger Geliebter! - hatte sie nicht vernichtet, als er den Zauber auf dem kleinen Friedhof in Paris anwandte, der sie scheinbar zerquetschte. Er hatte sie auf eine magische Reise geschickt, dorthin, wo einst alles begonnen hatte. Dort, wo sie vor Jahrhunderten mit Sid Amos, der sich damals noch Asmodis nannte und in höllischen Amt und Würden stand, das verhängnisvolle Experiment durchgeführt hatte, das aus Angélique, der angesehenen Vampirdämonin, einen Freak gemacht hatte. Ein Unikum, ein sogar in der Hölle begafftes Etwas…
Es hatte sie den Körper gekostet. Nur ihr Kopf war damals unberührt geblieben, während ihr Leib seine Struktur veränderte und unsichtbar wurde. Und mehr als das - er existierte nicht mehr, zumindest nicht auf herkömmliche Weise. Angélique spürte ihn, zu jeder Zeit, in jeder einzelnen Sekunde, aber er war weder sichtbar noch im eigentlichen Sinn existent. Niemand konnte ihn berühren. Niemand ihn wahrnehmen.
Nur wenn sie sich besonders stark konzentrierte und einen Zauber anwandte, den sie vor Jahrzehnten entdeckt hatte, konnte sie ihren Leib wiedererschaffen.
Hier, auf dieser Welt hatte das verhängnisvolle Experiment stattgefunden. Tausend Mal hatte Angélique Asmodis danach angefleht, sie wieder hierher zu schicken, an den einzigen Ort, wo sie glaubte, alles rückgängig machen zu können. Doch der Höllenherrscher hatte nur gelacht und sie immer wieder abgewiesen. Aus eigener Kraft hatte sie nicht hierher Vordringen können; und jetzt hatte sie Asmodis wieder getroffen. Nach so vielen Jahrzehnten und unter solch abenteuerlichen Umständen.
Lucifuge Rofocale, Satans Ministerpräsident, hatte ihr einen Befehl gegeben. In seinem Auftrag hatte sie zusammen mit einem Menschen namens Henri Baudelaire eine Blutspur durch Paris gezogen, um Professor Zamorra, Nicole Duval und Andrew Millings abzulenken, sobald diese in der französischen Hauptstadt eintrafen - warum, wusste Angélique nicht. Es interessierte sie auch nicht. Die Tatsache, dass sie von Lucifuge Rofocale selbst auserwählt worden war, hatte sie mit höchstem Stolz erfüllt.
Und wie sehr war sie erstaunt gewesen, als sie plötzlich Sid Amos gegenüber stand, ihrem einstigen Geliebten, der sich nun auf die Seite seiner ehemaligen Gegner geschlagen hatte. Er machte gemeinsame Sache mit Zamorra, Duval und Millings - und damit war er zu Angéliques Feind geworden.
Doch ihr Kampf war kurz gewesen. Amos hatte einen Zauber angewandt, der sie mit grausamer Härte getroffen hatte. Sie hatte geglaubt zu sterben -und war doch am Leben geblieben.
Hier war sie wieder zu sich gekommen.
Trotz ihrer Niederlage verspürte sie auch einen deutlichen Triumph - Amos hatte seine Gefühle für sie
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