0835 - Im Kreisel der Angst
das Wasser in einem stillgelegten Hafenbecken.
War er mit der toten Shao ins Wasser gegangen?
Nein, er wollte daran nicht glauben, und Bill drehte seinen Kopf so weit nach rechts, bis er den flachen Schatten sah, der sich parallel zum Hafenbecken aufbaute.
Noch rieselten die letzten Schneeflocken aus dem Himmel. Längst nicht mehr so stark wie sonst. Sie schafften es auch nicht, die Spuren zu verdecken.
Und sie führten auf das flache Gebäude zu.
Der Reporter holte tief Luft. Das Frösteln auf seinem Rücken hatte diesmal nichts mit der Kälte zu tun, es war einfach das ungute Gefühl, das über ihn gekommen war.
Vielleicht lag es auch an der Dunkelheit und dieser schweren Stille, daß bei ihm die Beklemmung wuchs, vielleicht auch an seiner Ahnung, daß hinter den Mauern etwas Furchtbares passierte.
Er ging weiter.
Dabei hielt er sich genau in der Spur, die Suko im Schnee hinterlassen hatte. Sie war frisch. Der Schnee sah hier rein und jungfräulich aus. Wie eine weiße Decke lag er auf dem Schmutz.
Der Reporter verfluchte das leichte Zittern in seinen Knien. Er schaute sich immer wieder um, weil er einfach davon ausgehen mußte, beobachtet zu werden. John und er waren davon ausgegangen, daß Suko möglicherweise Helfer hatte, die schon auf ihn warteten. Helfer von denen er und John nichts wußten, denn so gut sie Suko auch kannten, er hatte seine Geheimnisse, auch vor ihnen. Da gab es noch einen tiefen Brunnen in seiner Seele, in dem er so einiges verborgen hielt, was möglicherweise auch mit seiner Vergangenheit zusammenhing.
Und genau die konnte nach Shaos Tod wieder hochgekocht sein. Wahrscheinlich hatte er über uralte Totenrituale aus seiner Vergangenheit nachgedacht. China war und ist noch immer ein geheimnisvolles Land. Da lebten zahlreiche Menschen noch heute mit den alten Überlieferungen, da wurde an Dingen festgehalten, die rational nicht bewiesen werden konnten.
Durchs Bills Kopf zuckten die phantastischsten Bilder wie aufgeblendete Filmszenen, die aber sehr schnell wieder verschwanden. Er schlich durch den Schnee und lauschte bei jedem Schritt dem leisen Knirschen. Da die unterste Schicht glatt war, kam er nur vorsichtig weiter.
Aber das Haus rückte näher.
Ein flaches Gebäude, das ebenfalls eine weiße Haube gekriegt hatte. Zudem hatte der Wind Schnee gegen die Außenwand geklatscht. Allerdings an verschiedenen Stellen, so daß sie aussah wie ein Leichentuch mit großen Löchern.
Bill hörte keine fremden Geräusche. Die Stille lastete wie Blei auf dem Gelände. Der Himmel drückte, die Luft roch nach Schnee, sie war klar, sie vervielfachte die Geräusche, und der Reporter atmete tief ein, als er vor der Tür stehenblieb.
Ein schlichter Eingang, mehr nicht, aber er sah auf dem frischen Schnee die Fußabdrücke. Sogar tiefer als sonst. Suko schien sich hier länger aufgehalten zu haben.
Die Tür bestand aus zwei Hälften. Breit genug, um auch einen Gabelstapler durchfahren zu lassen.
Bill bückte sich, um nach dem Schloß zu schauen.
Ein Schlüssel steckte nicht von außen. Da Suko sich im Innern befinden mußte, ging Bill einfach davon aus, daß die Tür nicht verschlossen war. Er versuchte es.
Mit der flachen Hand drückte er gegen die Hälfte an der rechten Seite.
Ein kurzer Druck nur, und sie setzte sich nach innen in Bewegung. Dabei kratzte sie über den Boden, was den Reporter störte, dem die vor ihm liegende Umgebung sowieso nicht gefiel, da ihm die Düsternis vorkam wie ein mächtiges Ungeheuer, das seinen gewaltigen Rachen aufgerissen hatte.
Mit einem langen Schritt huschte er in das Innere des leeren Baus, wobei er nicht einmal davon überzeugt war, daß die Halle so leer war. Irgend etwas mußte hier vorgehen, denn ein ungewöhnlich fremder Geruch wehte ihm entgegen.
Er war streng, er war scharf, als würden irgendwo in diesem dunklen Bau Kräuter verbrannt, die den Rauch absonderten. Er war unsichtbar, er floß durch die Dunkelheit, denn irgendwo sah Bill ein Licht. Trotzdem wollte er weiter.
Der Reporter drehte sich um und schloß die Tür. Die weiße Schneefläche verschwand, als hätte sich ein riesiger Schatten über sie gelegt, und auch Bill kam sich vor wie von langen Schattenbahnen umklammert. Im ersten Moment konnte er nicht mal die berühmte Hand vor Augen sehen, er mußte sich erst an die Verhältnisse gewöhnen. Nach einigen Sekunden nahm er dann die unterschiedlichen Helligkeitsstufen auf.
Durch die Fensterlöcher - die Scheiben waren alle
Weitere Kostenlose Bücher