0835 - Im Kreisel der Angst
pessimistisch. »Was sollte denn noch schiefgehen?« fragte Wesley. »Noch einmal lassen wir uns nicht von dem Bullen überraschen.«
»Der ist nicht das Problem«, erwiderte Amy. »Ich sehe da eher einen anderen der uns gefährlich werden kann. Oder glaubt ihr, daß er uns die Tote freiwillig überläßt?«
Keiner antwortete.
Aber das kalte Lächeln der beiden jungen Männer war schon Antwort genug…
***
Es hatte aufgehört zu schneien, was mir zunächst nicht bewußt geworden war. Ich hockte im Rover wie jemand, der noch seine Wunden geleckt hatte, bevor es weiterging.
Glücklicherweise hatte ich mir keine Verletzung zugezogen, die mich zu stark behindert hätte. Mir taten zwar einige Stellen am Körper weh, aber das ließ sich ertragen. Auf meinem Gesicht lag ein verbissenes Grinsen, als ich einen Blick in den Innenspiegel warf.
Hinter der Stirn zeichneten sich die Adern ab, und am Körper klebte der Schweiß, als wäre er aufgepinselt worden.
Durch die Scheibe konnte ich erst schauen, als der Schnee von der Scheibe glitt.
Tauwetter.
Ich öffnete die Tür.
Die Luft in der Hafengegend gehörte nicht zur besten in London. Mir kam sie trotzdem klar und frisch vor, als ich mich aus dem Wagen quälte, stehenblieb und tief durchatmete. Dabei bewegte ich den Kopf. Die Dunkelheit war durch den gefallenen Schnee erhellt worden. Das Zeug lag auf dem Boden wie ein großer Spiegel, der leider blind war.
Ich blickte zum Himmel.
Die Wolkendecke war aufgerissen. Blank und blau schimmerte die Unendlichkeit des Alls. Einige Sterne schickten ihr Licht auf mich herab, als wollten sie mir zublinzeln.
Die mich umgebende Industrielandschaft hatte ihre Tristesse verloren. Der Schnee glättete alles. In der Ferne schimmerten die Lichter hoher Lampen. Dort wurde noch gearbeitet, doch diese Gegend lag zu weit weg, als daß ich irgendwelche Geräusche gehört hätte.
Die Stille packte mich regelrecht ein. Dort, wo ich gegen die drei Bandenmitglieder gekämpft hatte, hatte die weiße Pracht schmutzige Lücken bekommen.
Außer mir hielt sich niemand sichtbar in der näheren Umgebung auf. Ich war allein und kam mir auch allein vor. Natürlich drehten sich meine Gedanken um Suko, Shao und Bill. Sie waren verschwunden. Ich machte mir jetzt Vorwürfe, nicht auf Sukos Fersen geblieben zu sein, aber es half nichts, da mußte ich durch.
Das Gelände war groß und mir persönlich auch fremd. Ich wußte nicht, in welche Richtung ich mich bewegen sollte, hätte es da nicht die schwachen Spuren gegeben, die sich im Schnee abzeichneten.
Es waren nicht nur Fußabdrücke, auch Schleifspuren, und die führten gemeinsam in eine bestimmte Richtung.
Ich ging ihnen nach.
Das Wasser eines stillgelegten Kanals sah aus wie geschwärztes Blei. Seelenruhig lag es vor mir, da kein Wind wehte.
In der Nähe lagen einige alte Kähne am Ufer vertäut. Auch sie konnten als Versteck dienen, aber die Spuren führten an ihnen vorbei und nicht darauf zu.
Die alten Krähne, Gerüste und nicht mehr zu gebrauchenden Container der ersten Stunde wirkten auf mich wie Ungeheuer, die ihre weißen Hauben aufgesetzt hatten. In der dünnen Luft hörten sich alle Geräusche ungewöhnlich klar an. Ich konnte nie sagen, wie weit der Ursprung dieser Laute entfernt war.
Die Spuren waren gut zu erkennen. Nicht einmal meine kleine Leuchte brauchte ich einzusetzen.
Mit jedem Schritt, den ich mich vom Rover entfernte, wuchs meine Beklemmung. Ich fürchtete noch immer, in eine Falle zu laufen, aber nichts zerstörte die Stille.
Meine Füße hinterließen im Schnee eine Schleifspur. Ich schreckte niemand auf, selbst den Obdachlosen war es in dieser Nacht zu kalt, um in einem der Lagerhäuser zu übernachten. Sie hatten sich in die Innenstadt verzogen, um dort wärmere Plätze zu finden.
Die Spuren »redeten« eine deutliche Sprache. Sie führten mich genau dorthin, wo ich hinwollte, und allmählich gelangte ich in das Gebiet der Lagerhäuser, die verlassen worden waren. Sie standen als Ruinen herum, und ihre leeren Fensterhöhlen glichen Eingängen zu fremden, unheimlichen Welten.
Hier wurde man nicht gestört, und darauf hatte mein Freund Suko wohl spekuliert.
Noch immer wollte mir nicht in den Sinn, was er mit der toten Shao vorhatte. Ich kam da einfach nicht mit zurecht. So etwas machte man normalerweise nicht, und mir war auch nicht klar, was diese Frau und ihre beiden Kumpane von Suko oder Shao wollten.
Möglicherweise die Leiche, aber was konnten sie damit schon
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