0836 - Die Traumzeit stirbt!
Zamorra wusste jedoch, dass Shado hier war. Wenn der Mann vom Stamme der Yolngu nicht gesehen werden wollte, sah ihn auch niemand.
Tatsächlich. Shado löste sich aus dem Schatten eines Felsens und kam zügig auf Zamorra und Nicole zu. Der Aborigine, den dieses Mal ein piekfeiner Anzug in hellrot, der Farbe des Outbacksandes also, schmückte, hielt sich nicht lange mit Vorreden auf.
»Ich grüße dich, Mann mit dem Silberzeichen«, sagte er. »Wie ich bereits sagte, wird deine Hilfe und die deiner Gefährtin dringend benötigt. Wir müssen umgehend zum Uluru aufbrechen.«
»Jetzt mal langsam mit den jungen Pferden«, erwiderte Nicole scharf. »Wir vertrauen dir und deswegen sind wir hier, auch wenn das Orakel von Delphi eine Offenbarung gegen dich ist. Sei also so nett, uns wenigstens jetzt zu sagen, worum es genau geht. Dass die Welt kurz vor dem Verschwindibus steht, reicht uns einfach nicht. Wir retten zwar praktisch jeden Tag die verschiedensten Welten vor dem Untergang und haben somit reichlich Routine darin. Aber ein paar winzige Details mehr sollten es schon sein. Du weißt schon, zwecks zielgerichteter Vorbereitung und so.«
»Ich erkläre es euch auf dem Weg.« Der Mann, der regelmäßig zwischen zwei Welten pendelte, drehte sich um und ging zügigen Schrittes zum Olympischen Park hinüber.
Zamorra und Nicole folgten ihm wortlos.
Sie stiegen in ein bereitstehendes Taxi, das sie zum Flughafen von Sydney brachte. Dort enterten sie Shados Piper.
Nachdem sich der Aborigene aus seinem Anzug geschält hatte und nun lediglich mit einem Lendenschurz angetan hinter dem Steuerknüppel saß, startete er die Maschine, zog die Piper in den Himmel und nahm Kurs nach Nordwesten ins Landesinnere.
»Also, Shado, was ist denn nun?«, drängte auch Zamorra. »Was sollen wir tun?«
»Du musst die Traumzeit retten, Mann mit dem Silberzeichen.«
»Was denn, schon wieder? Das nimmt ja langsam inflationäre Züge an«, beschwerte sich Nicole vom Rücksitz. Die Erinnerungen an den Dämon, der die Traumzeit hatte verändern wollen, waren noch keineswegs in ihr verblasst. [1]
»Dieses Mal ist es anders, schlimmer«, erklärte Shado. »Jener Dämon wollte die Traumzeit verändern. Er ist längst tot. Das, was sich jetzt dort eingenistet hat, begnügt sich nicht mit Veränderungen. Es will die Traumzeit vernichtend ollständig. Und es scheint die Mittel dazu zu haben. Die Traumzeitwesen liefern diesem Monstrum einen verzweifelten Abwehrkampf, drohen aber zu unterliegen.«
»Hat dir das Kanaula, der Regenbogenmann, gesteckt?«
»Nein. Die Pfade in die Traumzeit sind unbegehbar geworden. Niemand mehr kann sich dorthin singen oder träumen. Es ist ein furchtbares Gefühl. So, als hätte jemand den Boden weggezogen, auf dem ich gehe, als müsste ich jetzt für alle Zeiten frei in der Luft schweben. Und zahlreichen anderen Woadi, wie wir Männer uns selbst nennen, ergeht es nicht besser. Sie alle sind entwurzelt, ihre Lebensgrundlage wurde ihnen genommen, wenn ihr versteht, was ich meine.«
»Natürlich sprichst du auch von den Frauen«, wandte Nicole giftig ein.
Shado bedachte sie mit einem undefinierbaren Blick.
Zamorra nickte schnell, um erst gar keinen Streit aufkommen zu lassen. »Ich denke schon, dass wir dich verstehen, Shado. Und da hast du natürlich gleich an uns gedacht.«
»Ja, Mann mit dem Silberzeichen.« Sie überflogen gerade eine Gebirgsformation. Shado zog die Piper in eine weite Kurve, um einem anderen Kleinflugzeug, vermutlich einem Flying Doctor , auszuweichen. »Aber ich war nicht der Einzige. Die mentale Botschaft eines Mannes namens Woturpa erreichte mich. Er bef… bat mich, umgehend dich und deine Gefährtin zu informieren und hierher zu bitten. Woturpa scheint ein Mann mit großer Macht zu sein. Kennt ihr ihn?«
Zamorra schüttelte nachdenklich den Kopf. »Nicht dass ich wüsste. Hast du schon mal was von diesem Herrn gehört, Nici?«
Nicole verneinte. »Warum glaubst du, dass dieser Woturpa so große Macht hat, Shado?«
»Ich habe es gespürt. Sein Ruf erging, als die Traumzeitpfade bereits nicht mehr begehbar waren. Er hat mich auf einem anderen Weg erreicht. So etwas ist nie zuvor passiert. So etwas kann nur ein sehr mächtiges Wesen vollbringen.«
»Gut. Und wer oder was erwartet uns am Uluru? Woturpa selbst?«
»Ja, aber nicht alleine, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Mehr weiß ich allerdings nicht.«
Nach vielen Stunden Flug übers australische Outback und zwei Zwischenlandungen
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