0841 - Erst lieb ich dich, dann beiß ich dich!
Zuwenig für das Verlies. Zudem war das Zeug naß und klebrig, einfach widerlich. Cynthia wurde mit den Schmerzen irgendwann fertig. Das heißt nicht, daß sie sich daran gewöhnt hätte, aber sie schaffte es, sich zu bewegen, und sie merkte auch, daß sie wieder denken konnte.
Zuerst stellte sie fest, daß sie nackt war. Die Kleider hatte man ihr vom Leib gefetzt und achtlos weggeworfen. Als sie ihren Körper abtastete, stellte sie fest, daß die Folterinstrumente zahlreiche Wunden hinterlassen hatten. Sie spürte das Blut an ihren Fingern und den Schorf, der sich schon an einigen Stellen auf ihre Wunde gelegt hatte. Kopfschmerzen plagten Cynthia, seit ihre Haar büschelweise rausgerissen worden waren.
Es war tief in der Nacht. Wieviel Zeit ihr noch bis zum Morgen blieb, wußte sie nicht, aber sie selbst hatte schon einmal aus der Entfernung zugesehen, wie ein Scheiterhaufen errichtet worden war. Sehr schnell war dies geschehen. Die Szene hatte zu einer der eindrucksvollsten ihrer Kindheit gehört. Sie hatte sie nie vergessen können, und der nächste Scheiterhaufen würde für sie sein.
Cynthia wunderte sich, daß sie noch weinen konnte. Sie spürte Tränen auf ihrem Gesicht und kroch über den Boden wie ein waidwundes Tier.
An einer kalten Wand stoppte sie. Dort kauerte sie sich hin. Schüttelfrost durchfuhr ihren Körper.
Die Kälte war nicht auszuhalten. Wenn nicht das Feuer des Scheiterhaufens Cynthia umbrachte, dann würde schon die Kälte dafür sorgen.
Dazu wollten es die Peiniger aber nicht kommen lassen. Das Schicksal sollte ihnen den Spaß nicht verderben. Cynthia hörte die Schritte. Sie klangen so weit entfernt, obwohl sie so nah waren. Wahrscheinlich stimmte etwas mit Cynthias Gehör nicht, und sicherlich hatte auch ihr Gleichgewichtssinn unter der Folter gelitten.
Sie hörte schräg über sich ein Schaben. Irgendeine Tür oder Klappe wurde geöffnet.
Sehr langsam drehte sie den Kopf nach links.
Glut schwebte in der Luft. Es roch nach Rauch. Sie hörte Stimmen, ein Lachen, dann schleuderten starke Hände die glühenden Kohlen von der Schaufel. Sie fielen in das Verlies, sie prallten auf, nicht alle Kohlestücke zerbrachen, einige rollten über den Boden auch in ihre Richtung, und Cynthia spürte ihre Berührungen an den Beinen wie Glutküsse. Aber sie schrie nicht, zog die Beine nur an, auch wenn es schmerzte, und rückte weiter zurück.
»Du sollst uns nicht erfrieren, Hexe«, sagte jemand und legte Kohlen nach.
Ein anderer meinte: »Außerdem kannst du dich schon an das Feuer gewöhnen. Bald wird es dich packen.«
Lachend verschwanden die beiden Schergen, nachdem sie die Klappe zugeschlagen hatten.
Wieder war Cynthia allein.
Diesmal mit den glühenden Kohlen, die schon eine gewisse Wärme ausstrahlten, was ihr auch guttat.
Trotzdem saß sie da, zitterte, atmete hechelnd. Den Blick nach innen und ins Leere gerichtet. Weit geöffnete Augen, ein zitternder Mund mit blutigen Lippen.
Die Glut hatte die Dunkelheit durchbrochen. Sie gab zwar nur wenig Licht, doch es reichte aus, um wenigstens die Innenmauern erkennen zu können. Cynthia hatte man in das kleinste Verlies geschafft. Es war kaum hoch genug, um sich aufrichten zu können. Sie mußte auf dem Boden bleiben und warten.
Die Kohlen glühten nicht nur, sie sonderten auch einen beißenden Gestank ab. Er wehte durch den Raum, er legte sich ätzend auf ihre Atemwege, und ihre Augen begannen zu tränen.
Der Geruch floß nirgendwo ab. Der Qualm blieb im Raum. Sie dachte daran, daß sie auch ersticken konnte. Noch bekam sie Luft, aber sie hustete und keuchte immer lauter.
Noch eine Folter?
Cynthia preßte die Hände gegeneinander. Auf den Handflächen waren kleine Wunden zurückgeblieben. Als sie daran dachte und zudem auf die Glut schaute, kamen ihr wieder die fürchterlichen Folterinstrumente der Knechte in den Sinn.
Auch die waren an ihren Enden heiß gemacht worden und hatten geglüht wie unheimliche Augen.
Wieder holte sie Luft und keuchte, weil der Rauch so stark im Hals kratzte. Der Husten schüttelte sie durch. Ihr Oberkörper sackte dabei nach vorn.
Sie fror und schwitzte zugleich, sie holte wieder Luft, hustete erneut und war froh, daß dieser Anfall nach einer Weile vorbei war.
Cynthia Droux wischte durch ihr Gesicht. Sie verschmierte den Schmutz, das Blut und den Ruß, aber ihre Augen blieben kalt. Mit ihnen hatten sich die Folterknechte nicht beschäftigt.
Sie blickten nach vorn.
Und sie sah den Mann!
***
Wie er ihr
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