0841 - Erst lieb ich dich, dann beiß ich dich!
mehr und hatte auch nicht mehr die Kraft, laut zu schreien.
Sie stolperte noch, dann fiel sie der Länge nach hin. Im Fallen hatte sie noch den Kopf angehoben und ihren Fänger erkannt. Es war ausgerechnet der Anführer dieser verfluchten. Bande, ein Mann namens Romero Sanchez, dieser wilde Kerl mit seinem pechschwarzen und immer leicht ölig glänzenden Vollbart.
Cynthia prallte auf den weichen Boden. Er federte etwas unter ihr, und sie merkte auch, wie alte Zweige unter ihrem Gewicht knackten und zerbrachen.
Auf dem Baum blieb sie liegen. Die Peitschenschnur noch immer um den Hals geschlungen. Sie vergrub ihr Gesicht im feuchten Erdreich, sie wollte so häßlich wie möglich aussehen. Sie schämte sich, und sie dachte gleichzeitig an den Tod, während ihr Herz raste.
Dann hörte sie die Schritte.
Auf dem Waldboden wurden sie gedämpft und erreichten ihre Ohren wie dumpfe Glockenschläge, die ihren Tod einläuteten, denn man würde den Scheiterhaufen in unmittelbarer Nähe der Kirche errichten. So war es immer gewesen, so würde es auch bleiben. Und selbst der bigotte Pfarrer würde erscheinen und zusehen, wie die Flammen sie allmählich zu Asche werden ließen.
Noch waren es Visionen. Am anderen Morgen aber würden sie zur Wahrheit werden, und dazwischen lag eine Nacht, die das Schlimmste werden würde, was man sich als Frau und als Mensch vorstellen konnte. Ihr wäre es am liebsten gewesen, wenn man sie schon zu Beginn der Dunkelheit auf den Scheiterhaufen gestellt hätte.
»Du lebst ja noch.« Sanchez sprach den Satz aus und lachte dazu. Dann zerrte er die Schlinge fester, hob den Kopf an, so daß Cynthia für einen schrecklich langen Augenblick das Gefühl hatte, ersticken zu müssen. Mit einer Drehbewegung in die entgegengesetzte Richtung allerdings schaffte es Sanchez, die Peitschenschnur von ihrem Hals zu lösen.
Die junge Frau bekam zunächst nicht mit, was da geschehen war. Sie wälzte sich herum, bis ein Fuß sie aufhielt. Hätte sie sich noch weiter gedreht, wäre ihr Gesicht von der Sohle des schmutzigen Reitstiefels zerdrückt worden.
»Bleibe ruhig liegen!« befahl Sanchez. »So lange, bis ich dir sage, daß du aufstehen darfst.«
»Ja, ja, ich bleibe liegen.«
»Wunderbar.«
Sanchez wartete ab. Cynthia hörte seinen Atem. Zuerst leise, dann lauter, und da wußte sie bereits, daß er sich hingekniet hatte, um sich über sie zu beugen. »So, und jetzt kannst du dich umdrehen, du kleine Hexe.« Er half ihr dabei, und seine Hände faßten dort an, wo sie normalerweise nichts zu suchen hatten.
Cynthia krampfte sich zusammen. Sie lag jetzt auf dem Rücken, konnte Sanchez aber nicht so deutlich erkennen, weil Dreck ihre Sicht beeinträchtigte.
Deshalb sah sie ihn nur als Schatten, und dieser Umriß war drohend und grauenvoll genug. Er hielt die Peitsche noch in der Hand. Die Schnur berührte den Boden und hatte sich dort zusammengeringelt.
Cynthia versuchte es. »Bitte!« hauchte sie, »bitte, Señor Sanchez, lassen Sie mich gehen - bitte.«
»Nein!«
Sie blieb dabei, legte die Handflächen zusammen, als wäre sie in der Kirche, die sie aus Kindertagen kannte. »Ich bitte Sie. Haben Sie ein Herz, Señor! Ich tue alles, was Sie wollen.«
Romero Sanchez grinste. Auf diesen Vorschlag hatte er gewartet. »Wirklich alles?«
»Si…«
»Nun ja.« Er biß sich auf die Lippe.
Schon längst war sein Blut in Wallung geraten, und die Häscher waren weit weg. Selbst das Bellen der Hunde klang nicht mehr so nah. Er konnte es riskieren.
Noch einmal fragte er nach. »Wirklich alles?«
»Wenn ich es sage.«
»Dann zieh dich aus!«
Cynthia war trotz ihrer zwanzig Jahre erfahren und Frau genug zu wissen, daß es so hatte kommen müssen. Sie wußte nur nicht, was danach geschah und hoffte auf ein Wunder.
»Darf ich aufstehen?«
»Das darfst du.«
Cynthia quälte sich hoch. Sie hatte noch immer Schwierigkeiten mit dem Sprechen, weil ihr der Hals brannte. Mit der ausgestreckten Hand umklammerte sie einen verwachsenden Zweig und blieb leicht schwankend und zitternd vor Romero Sanchez stehen.
»Beeil dich!«
»Ja, schon gut.«
Sie beeilte sich nicht. Sie ließ sich Zeit, sie stachelte seine Geilheit noch stärker an, wie sie sich langsam aus dem Kleid schälte, unter dem sie nur die Hose aus grob gewebter Baumwolle trug.
Romero Sanchez knurrte wie ein Tier. Er leckte seine Lippen. Dabei sah die Zungenspitze aus wie ein blauer Knorpel. »Mach schon! Los, mach schon!«
Cynthia hatte ihr Kleid bis zu
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