085 - Professor Kulls Blutnixe
anfangen, mich zu überwuchern.
Während ich das Pfarrhaus betrat, fragte ich Pater Laurentius: »Wie geht es ihm heute?«
»Unverändert«, antwortete der junge Priester.
»Wieso frage ich eigentlich noch?« seufzte ich.
Pater Laurentius führte mich in den Wohnraum. Severin, mein guter Freund, saß dort in einem bequemen Sessel. Ruhig lagen seine großen Hände auf den Lehnen. Er war wie immer in seine schwarze Soutane gekleidet.
Ich betrachtete sein regloses Pferdegesicht mit den gütigen dunklen Augen. Er hatte den Kopf nicht gewandt, als ich eintrat. Er wußte nicht, daß ich da war. Seit zwei Wochen wußte er nichts mehr.
Mr. Silver hatte ihm zu helfen versucht. Ohne Erfolg.
Wenn die Gorgone, die Phorkys geschaffen hatte, sich hätte voll entfalten können, wäre Pater Severin. gestorben und zu Stein erstarrt. Wenigstens das war ihm erspart geblieben. Ein sehr schwacher Trost.
»Er sitzt den ganzen Tag so da, zuckt nicht einmal mit der Wimper«, sagte Pater Laurentius. »Ich gebe ihm zu essen und zu trinken - und ich bete für ihn. Ich wollte, ich könnte mehr für ihn tun. Ich kenne ihn schon sehr lange und war immer voller Bewunderung für ihn. Ich weiß, daß ich ihn nie ersetzen kann, sosehr ich mir auch Mühe gebe. Es gibt eben nur einen Pater Severin.«
»Da haben Sie recht«, sagte ich mit kratziger Stimme.
Es war verfügt worden, daß Pater Severin hierbleiben dürfe und nicht in irgendein Kloster gebracht würde.
»Ich wollte immer eine Kirche haben«, sagte Pater Laurentius aufrichtig. »Da zu sein für viele Seelen, gebraucht zu werden… Jeder Pfarrer wünscht sich das, aber dieser Preis ist zu hoch. Ich würde lieber heute als morgen diese Kirche meinem Glaubensbruder zurückgeben, und ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß Pater Severin wieder so wird, wie er einmal war.«
Mir war, als würde sich ein breiter Eisenring um meinen Brustkorb schließen. All meine Freunde suchten nach einer Möglichkeit, Pater Severin zu helfen - auf dieser und auf anderen Welten. Gleichzeitig versuchten sie auch das Gegengift zu finden, das ich brauchte, um die Marbu-Magie loszuwerden, die sich in mir verkrallt hatte. Ich drückte ihnen für beides fest die Daumen.
Ich blieb eine Stunde.
Pater Severins Blick war in dieser Zeit in eine unauslotbare Ferne gerichtet. Die Mauern, die ihn umgaben, vermochten diesen Blick nicht aufzuhalten.
Ich verabschiedete mich von Pater Laurentius. »Passen Sie weiterhin gut auf ihn auf«, sagte ich.
»Er ist bei mir in besten Händen, Tony«, versicherte er mir.
Schwermütig berührte ich meinen Freund.
Verflixt, wenn es mir doch nur gelungen wäre, den Verantwortlichen für seinen Zustand mit meinem Dämonendiskus zu erwischen, dachte ich.
Aber Phorkys, dem Vater der Ungeheuer, war es gelungen, sich gerade noch rechtzeitig aus dem Staub zu machen.
Ich verließ das Pfarrhaus. Mein Schritt war schwer, als würde eine gewaltige Last auf meinen Schultern liegen. Und das war auch der Fall. Man konnte sie nur nicht sehen.
Ich stieg in meinen schwarzen Rover und fuhr nach Hause. Als ich die Haustür aufstieß, rief meine Freundin Vicky Bonney: »Tony, Telefon! Komm schnell! Es ist Noel Bannister!«
***
Ich blickte aus dem Fenster. Strahlendblau war das Meer. Die Stewardeß hatte die Passagiere gebeten, das Rauchen einzustellen und sich anzuschnallen. Wir würden in wenigen Minuten landen. Unter uns lagen die Bahamas. Luxuriöse Superhotels mit allem Komfort, Nachtclubs mit »Floridastandard«, erstklassige Sportmöglichkeiten, berühmte Spielcasinos. Das war die eine Seite der Inseln. Die andere war: Unberührte Naturschutzgebiete mit exotischen Flamingos, tropische Blumengärten, abgeschiedene, malerische Fischerdörfer, kilometerlange, menschenleere, rosafarbene Sandstrände, idyllische Lagunen…
Ein Paradies.
Aber in diesem Paradies war der Teufel los, und deshalb saß ich in dieser Maschine.
Noel Bannister hatte für die CIA eine Spezialabteilung aufgebaut, die er auch leitete. Ausgesuchte Männer unterstanden ausschließlich seinem Befehl, und er wiederum war nur seinem unmittelbaren Vorgesetzten General Mayne verantwortlich.
Die Fälle, in denen die schwarze Macht mitgemischt hatte, hatten sich so sehr gehäuft, daß die Schaffung einer solchen Abteilung erforderlich wurde.
Mr. Silver, der Parapsychologe Lance Selby und ich hatten die Spezialagenten so gut wie möglich auf den Kampf gegen Höllenwesen vorbereitet, und Lance befand sich immer noch in
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