0859 - Höllenliebe
Augen, und sie wich ein Stück zurück, als sich der Mann drehte und sich aufzurichten versuchte. Er schien vollends aus dem kalten Flußwasser zu klettern. Naomi, die nicht wußte, ob sie sich hinstellen oder knien bleiben sollte, sich für letzteres entschied, schaute gebannt zu, wie die Gestalt mit langsamen Bewegungen den Fluß verließ.
Da stieg ein Gott aus dem Wasser!
Naomi hielt den Atem an. Es war für sie etwas völlig Außergewöhnliches und Unnatürliches, aber es bereitete ihr gleichzeitig eine gewaltige Freude, dies mit ansehen zu dürfen. Ihre Augen hatten einen seltsamen Glanz erhalten, die Lippen zitterten, als wäre sie dabei, etwas zu sagen, obwohl sie es nicht schaffte, die Worte zu formulieren. Sie spürte den Druck in ihrem Kopf, ihre Hände waren feucht geworden, was nicht allein am Wasser lag.
Nackt stieg er aus dem Fluß.
Ein Mensch, ein Mann, ein Wesen, dem die Natur einen Bilderbuchkörper gegeben hatte. Naomi hatte sich jede Körperpartie genau angesehen und war beim Anblick einer bestimmten Stelle erschaudert, wobei das Brennen in ihr noch mehr zugenommen hatte.
Am meisten faszinierte sie der Kopf, der von einem Bildhauer aus der Antike hätte angefertigt sein können. Aus dem Schädel stachen zwei krumme Hörner. Wie bei einer Ziege!
Naomi spürte bei diesem Vergleich einen kalten Schauer, der nicht vom Wasser herrührte. Es war ihr Inneres, das sich für einen Moment gegen diesen Eindruck sperrte, ihn allerdings nicht verwischen konnte. Einen derartigen Mann hatte sie noch nicht gesehen. War er überhaupt ein Mann oder war er ein wahrgewordenes Traumbild?
Sie wußte es nicht sie konnte einfach den Blick nicht von ihm wenden. Die Gestalt war ungemein kräftig, ohne allerdings dick zu wirken. Sie war muskulös und trotzdem geschmeidig, das sah Naomi an seinen Bewegungen. Er kam wie ein Gott, wie ein Engel, ein Dämon, und die alten Schriften hatten nicht übertrieben.
Es war einfach einmalig.
Für die wartende Frau war er ein Namenloser - noch, aber er verfügte über genügend Kraft und Einfluß, um sie beherrschen zu können. Obwohl er noch nichts getan hatte, wußte sie sehr genau, daß sie seinem Willen nicht mehr würde entfliehen können.
Er war einmalig.
Und sie kniete vor ihm.
Den Kopf hatte sie angehoben, und sie spürte bereits den Schmerz ihrer Nackenmuskeln. Sie zitterte. Aus Furcht oder Erwartung, das konnte sie nicht sagen, und mit dem nächsten Schritt ließ er endgültig das Wasser hinter sich. Kein Tropfen umspielte mehr seine nackten Füße, er hatte es endlich geschafft, und er streckte ihr mit einer langsamen Bewegung die rechte Hand entgegen.
Dabei schaute er sie an.
Für einen Moment erwischte Naomi einen Blick in seine Augen. Sie hatte das Gefühl, abzuheben, denn in ein derartiges Augenpaar hatte sie noch nie in ihrem Leben geschaut. Sie hätte es nicht mal beschreiben können, der Blickkontakt war auch nur zu kurz gewesen, um darüber nachdenken zu können, zudem war sie von der Geste des Fremden abgelenkt worden, denn sie sollte die Hand greifen.
Naomi schaute sie an.
Es war eine sehr kräftige Hand, die nicht weit von ihrem Gesicht entfernt in der Luft schwebte.
Lange Finger, nicht zu klumpig, auch nicht zu dünn, eine Hand, die einer Frau genau das Vertrauen geben konnte, nach dem sie sich sehnte.
Trotzdem zitterte Naomi, als sich ihre Hand der anderen näherte. Sie konnte den Grund selbst nicht nennen. Angst war es sicherlich nicht. Vielleicht die Erwartung, daß sie nun ganz dicht vor der Veränderung stand und es kein Weg zurück gab.
Sie ließ sich hochziehen.
Schon bei der ersten Berührung überkam sie das Gefühl, nicht einfach aufzustehen. Sie schwebte regelrecht in die Höhe, als sollte sie die Wolken hoch am Himmel erreichen. Durch ihren Körper fuhr ein Strom der Kraft, wie sie ihn noch nie zuvor erlebt oder gekannt hatte. Es fehlte ihr an Worten, dies alles zu beschreiben. Die Empfindungen waren da, und sie nahm sich vor, sich einfach treiben zu lassen.
Warum war dieser Mann ihr nicht fremd? Warum hatte sie das Gefühl, ihn schon lange zu kennen?
Die junge Frau fand die Antwort auf diese Frage nicht. Sie wollte auch nicht weiter darüber nachdenken, denn es war alles, einfach alles anders geworden.
Sie stand mit beiden Füßen auf dem Boden. Trotzdem schwebte sie. Da war eine Kraft, die wegtrieb, aber trotzdem noch festhielt. Der Mann war größer als sie, so mußte Naomi abermals hochschauen, um sein Gesicht erforschen zu
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