0859 - Ring der Gewalt
zurück. Hytawath atmete aus und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
„Du hast ein geradezu irres Glück, daß du noch am Leben bist. Hast du es jetzt begriffen, Trubohn?" fragte er laut. Um ihn und den Riesen bildete sich schnell ein Ring aus Dutzenden von Wachen, die schweigend und kopfschüttelnd zusahen und zuhörten.
„Ich glaube, ich habe verstanden", murmelte Cherkel. „Du bist der einzige, der sich dort draußen frei bewegen kann."
„Bald wird sich Borl ganz frei fühlen können", sagte einer der Siedler. Borl fuhr herum, packte ihn am Arm und stieß hervor: „Wie meinst du das, Freund?"
„Welz hat dafür gesorgt, daß sie dich alle für einen Planetenfreund halten. Sie sind voller Mißtrauen. Weil sie nicht können, was du kannst, hassen sie dich. Vielmehr ..."
„Vielmehr verstehen sie nichts!" gab ein anderer zu. „Welz hat zu einer Kundgebung aufgerufen."
„Wann?"
„Nach Sonnenaufgang. Also in den nächsten Stunden."
Gefährlich leise erkundigte sich Hytawath: „Donar Welz will also euch allen beibringen, daß ich Koyle-City dadurch verraten habe, daß ich meine Immunität dazu benutze, euch alle zu ernähren? Ich glaube, ich gehe hinauf und schlage ihm die Zähne ein."
„Auch das wird nicht die Lösung sein. Die Entwicklung ist schon zu weit fortgeschritten."
Hytawath wandte sich ab und senkte den Kopf. Die Enttäuschung war nicht geringer, obwohl er eine solche oder ähnliche Entwicklung geahnt hatte. Welz war ein Phantast, der mit geradezu religiösem Fanatismus für seine Idee kämpfte. Allerdings fand dieser Kampf auf Kosten von Hytawath Borl statt. Und wie es aussah, fanden sich viele Anhänger für diese idiotische These. Als Außenseiter vermochte sich Hytawath gerade noch zu sehen, aber daß er ein Verräter war ... Bitterkeit und Wut drohten ihn zu ersticken. Er wandte sich wortlos ab und ging auf die Rampe zu.
Trubohn Cherkel starrte ihm schweigend nach. Er biß auf seine Unterlippe und wußte, daß er mit Sicherheit nicht mehr auf Boris Freundschaft oder Entgegenkommen rechnen konnte. Er war der Verlierer dieses Tages.
*
Er war es gewohnt, allein zu sein. Die vielen langen Tage draußen im Ring der Gewalt und im Dschungel hatten ihn gelehrt, die Stunden sinnvoll zu verbringen. Er langweilte sich nie; er konnte sich nicht erinnern, sich jemals ernsthaft gelangweilt zu haben. Jetzt aber, in der Stille seines improvisierten Wohnraums, empfand er zum erstenmal in seinem Leben das Alleinsein als Last, als Einsamkeit. Er kauerte in seinem Sessel, hielt das Glas voller Alkohol in den Fingern und stierte blicklos vor sich hin.
Vielleicht hätte ihm sein Vater helfen können - er kannte nicht einmal dessen Namen.
Seine Mutter hätte sicher die richtigen Worte und Erklärungen gehabt - sie war gestorben, damit er geboren werden konnte. Voin Koyle haßte ihn, weil er glaubte, daß Borl auf seine Schwester Meralda einen deutlichen Einfluß hatte.
Meralda?
Seit der schweigenden Erkenntnis der letzten Nacht gab es auch zwischen ihnen kaum eine ernsthafte Gemeinsamkeit. Ihre Wege, die jahrelang nebeneinander verlaufen waren, winkelten auseinander und führten in verschiedene Richtungen.
Es gab unter den Siedlern keine andere junge Frau, die ihn ernsthaft interessierte, und den meisten Mädchen war er ohnehin eine suspekte, unbegreifliche Figur.
Vielleicht hätte er sich noch vor einigen Tagen bei Trubohn Cherkel einen Rat holen können. Seit der Flucht des anderen Mannes während des Morgengrauens schied auch diese Möglichkeit restlos aus. Er war offensichtlich ohne Freunde, allein und ratlos.
Ein Zustand, der ihm bisher nur aus den literarischen Zeugnissen bekannt war, die er in der Bordbibliothek gelesen hatte. Lösungen für diesen keineswegs positiven Umstand hatte keine dieser gespeicherten Novellen aufgezeigt. Sein klarer, schnell funktionierender Verstand suchte bereits nach einem Ausweg, der nur für ihn allein zutreffen mußte, für keinen anderen Siedler sonst. Aber so sehr er sich auch den Kopf zermarterte - er fand keinen Weg, kein vielversprechendes Erfahren. Er merkte allerdings auch nicht, daß die-ser Vormittag für seine weitere Entwicklung ein deutlicher Meilenstein war. Schließlich, am frühen Abend oder in der Zeit zwischen Mittag und Nacht - er sah nicht auf die Uhr -, hörte er undeutlich die Ansprache, die Donar Welz außerhalb des Schiffes hielt. Er kümmerte sich nicht darum, er wollte kein einziges Wort hören. Er merkte nur, daß sich
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