0865 - Auf ewig verflucht?
getan?
Matteo versuchte, sich daran zu erinnern. Es wollte ihm nicht gelingen. Er kam einfach nicht darauf.
Die Dinge liefen nicht gut, sie rannen ihm einfach davon.
Wie lange er schon in diesem leeren Raum lag, wußte er nicht. Es war nicht nur die Finsternis, die ihn bedrückte, es war auch das Alleinsein, das Wissen darum, daß ihm keiner helfen würde. Es wußte auch niemand, wo er sich aufhielt.
Etwas fiel ihm auf.
Es war der Geruch.
Er schwang durch den Raum, kitzelte seine Nase, und Matteo verzog die Lippen.
Er mochte den Geruch nicht. Er war so anders. Wenig frisch. Es roch nicht nach Sommer oder Sonne, es stank, als wäre jemand aus dem Grab gekrochen. Es stank faulig, auch nach Blut. War es etwa sein eigenes?
Matteo hatte keine Ahnung. In der Dunkelheit war nichts zu sehen. Sie hatten ihm auch alles abgenommen. Er besaß keine Zündhölzer und kein Feuerzeug. Es war überhaupt nicht daran zu denken, hier einen Lichtfleck zu schaffen.
Er mußte in der Dunkelheit bleiben.
Von der Tür bewegte er sich weg. Wieder schnupperte Matteo dabei.
Ja, keine Täuschung, da war etwas. Da wehte zwischen den Wänden ein Gestank wie ein Leichentuch, an dem noch Blutreste klebten. So etwas hatte er noch nicht erlebt, damit hatte er auch nicht gerechnet, und er wollte plötzlich wissen, was dies war.
Matteo stand auf.
Wie ein alter Mann, dachte er. Wie ein alter Mann komme ich hoch. Und so fühle ich mich auch. Er hatte den Mund weit aufgerissen und keuchte laut. Der Schwindel war da, er stützte sich an der Wand ab, es ging ihm danach besser.
Jetzt wehte ihm der Geruch von vorn entgegen…
Keine Täuschung, kein Zweifel. Der mußte aus der Wand gedrungen sein. Moder aus der Wand.
Blutgeruch aus der Wand. Aber da… da…
Matteo war alarmiert, denn in der Wand bewegte sich etwas. Er sah Umrisse, die merkwürdigerweise heller waren als die Umgebung.
Da zeichnete sich etwas ab. Möglicherweise eine Figur.
Nein, das war keine Figur. Matteo staunte, und der Atem stockte ihm. Was sich da schwach in der Wand abzeichnete, aber doch gut zu erkennen war, das war ein Gesicht.
***
Wieso?
Er fragte sich, obwohl er sich selbst keine Antwort geben konnte. Aber er konnte nicht anders. Die Fragen schossen auf ihn nieder wie Blitze, und er dachte darüber nach, was das Gesicht in der Wand überhaupt bedeuten konnte.
Oder hatte er es sich eingebildet?
Matteo stand breitbeinig auf dem Fleck. Den Mund verzerrt, den Atem pfeifend durch die geschwollenen Lippen ausstoßend. Dieses Gesicht hatte etwas zu bedeuten, und es mußte mit dem zu tun haben, was den anderen passiert war.
Ist es der Killer?
Die Frage peitschte ihn innerlich hoch. Er war völlig durcheinander. In seinem Innern staute sich etwas, das irgendwann aus ihm herausbrechen mußte, und Matteo gab zu, sich noch niemals zuvor so schreien gehört zu haben. Er hörte sich zudem stöhnen, und er konnte nicht anders, als nur auf das verfluchte Gesicht zu schauen. Ockergelb war es, mit einem Stich ins Graue. Er sah einen Mund, er sah auch eine Nase, eine Stirn, nein, die nicht, denn der obere Teil des Gesichts tauchte in die Wand ein, die aber - oder war es nur Gesicht? - Risse bekommen hatte. Ein Muster aus feinen Rissen, die das Gesicht durchfurchten, und er sah zwei Augen in der Wand. Kalte, blaue Perlen. In Kopfhöhe. Sie starrten ihn an, und sie sandten ihm etwas entgegen, das ihm den Angstschweiß aus den Poren trieb.
Es war eine Botschaft aus einer anderen Welt, die Matteo nicht begriff. Er starrte nur in die verfluchten blauen Augen. Darin leuchtete etwas, dem er nicht entkommen konnte. Das hatte etwas Grauenvolles an sich, das war schlimm.
Kein menschliches Gesicht.
Nein, sicherlich nicht.
Menschen sahen anders aus. Sie lebten auch nicht in der Mauer. Seine Gedanken überschlugen sich.
Er geriet an einen Punkt, so daß er nicht mehr wußte, was er überhaupt noch denken sollte. Der Schweiß war ihm noch stärker aus den Poren getreten. Er spürte nicht nur einen Druck in sich selbst, Matteo stellte auch fest, daß dieses Gesicht eine ungewöhnliche Faszination auf ihn ausübte.
Es zog ihn an.
Er mußte hin!
Der Gefangene fand es selbst lächerlich, aber es gab keine andere Lösung, sosehr er sich dagegen auch stemmte. Dieses Bild in der Wand glich einem Magneten, und er war das Stück Eisen, das sich dagegen nicht wehren konnte.
Er ging los, auf unsicheren Beinen, hielt die Arme dabei ausgestreckt. Er ging weiter und weiter, das Blut rauschte durch
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