0865 - Auf ewig verflucht?
seine Adern.
Die Augen.
Faszinierend, von einem hellen Blau, wie er es bei einem Menschen noch nie gesehen hatte. Wobei sich Matteo von dem Gedanken befreien mußte, es hier mit einem Menschen zu tun zu haben.
Nein, das war kein Mensch, auch wenn es so aussah. Das war ein Ding in der Wand, das nur aussah wie ein menschliches Gesicht. Matteo sprach ihm die menschlichen Eigenschaften einfach ab, und trotzdem kam er nicht umhin, sich dem Gesicht zu nähern.
Er wollte es.
Er mußte es.
Er konzentrierte sich auf den Mund. Die Lippen deuteten sich im Gemäuer nur an, aber sie hatten sich zu einem seiner Meinung nach widerlichen Lächeln verzogen. Dieses Lächeln war wissend.
Wer immer in der Wand seinen Platz gefunden hatte, der wußte genau, daß Matteo ihm nicht entwischen konnte.
Der Raum war nicht sehr breit. Trotzdem kam er Matteo so breit vor. Es dauerte eine Weile, bis er ihn durchquert hatte und plötzlich das Gesicht übergroß vor sich sah. Es befand sich in seiner Augenhöhe. Er selbst konnte in das Blau der anderen Augen hineinschauen, er konnte in sie eintauchen, und er würde darin versinken wie in einem tiefen See. Das also war die Lösung des Rätsels.
Man ließ die Gefangenen mit dem Gesicht allein.
Er ging noch weiter vor und prallte gegen die Wand.
Etwas hatte ihn übernommen und geleitet. Er war in diesem Moment nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen.
Die Wand!
Er wollte weg.
Es ging nicht.
Matteo schaffte nicht einen Schritt zurück. Das Eisen klebte jetzt am Magneten. Er kam da nicht weg. Alles Fremde war stärker und wellte sich über ihn.
Er spürte die Furcht, die für ihn zu einer schrecklichen Angst angewachsen war. Er sah keine Hände, trotzdem war jemand dabei, seinen Kopf zu fassen und ihn zu drehen.
Warum? Wieso? Wer tat so etwas? Warum schaffte er es nicht, sich dagegen anzustemmen?
Arme, die er nicht sah, hielten ihn fest. Hände, die er ebenfalls nicht sah, beschäftigten sich mit seinem Kopf und drehten ihn zur Seite, wobei sie ihn gleichzeitig vordrückten. Fast bis an die Wand…
Und da war das Gesicht. Es war zudem damit beschäftigt, den Mund zu öffnen. Matteo hörte gleichzeitig ein Rauschen in seinem eigenen Kopf. Stimmen möglicherweise, fremd und böse. Sie lockten ihn, sie wollten ihm klarmachen, daß es keinen Sinn hatte.
Jetzt war der Mund geöffnet.
Matteo erstarrte. Er stand so weit von der Wand entfernt, daß er diesen Mund genau gesehen hatte.
Er sah Zähne darin wie aufgereiht. Sie schimmerten in einem leichten Gelb. Alle waren vorhanden, aber nicht jeder paßte zu den anderen.
Da gab es vier Zähne, die aus der Reihe fielen.
Zwei oben und zwei unten. Sie wuchsen einander entgegen, ohne sich allerdings zu berühren. Das aber war nicht der Schrecken an sich. Als er genauer hinschaute, da sah er, daß die Zähne angespitzt waren, ihn an stumpfe Dolche erinnerten, aber zugleich noch an etwas anderes: an Vampire! Dieser Begriff schoß ihm heiß durch den Kopf.
Matteo kam es vor, als wären die Buchstaben, die dieses Wort bildeten, dabei, sich in Blutstropfen aufzulösen.
Ein Vampir!
Wie ein Schrei. Wie ein Ruf nach Hilfe, aber auch der Schrei des Entsetzens.
Es gibt keine Vampire. Es gibt keine Vampire. Das ist alles verrückt! Das sind Märchen. Es gibt sie nicht, es gibt sie…
Sein Kopf drehte sich.
Matteo hat nichts dazu beigetragen. Er konnte daran nichts ändern, daß sich der Kopf zur Seite hin neigte und sich die Haut an einer bestimmten Stelle des Halses straffte.
Sie war bereit.
Dann folgte der Biß!
Bis zu diesem Moment hatte Matteo es nicht glauben wollen. Er wurde eines anderen belehrt, denn es drangen nicht nur zwei Zähne in die straffe Haut seines Halses, es waren mehr.
Er spürte sie an vier verschiedenen Stellen. Er klebte an der Wand, er kam nicht weg. Er war das Stück Eisen, und er hörte ein widerlich klingendes Schmatzen und Saugen, wobei aus seinen Halswunden das Blut nur so sprudelte.
Es war schrecklich.
Er kam nicht mehr weg. Die Knie gaben nach, die Kraft verließ seinen Körper. Aber er spürte auch den Schmerz nicht mehr. Die Welt lullte ihn ein, sie versank, sie wurde zu einer schwarzen Röhre, die ihn aufsaugte. Tiefer und tiefer, und es gab kein Licht in diesem Tunnel.
Das Gesicht aber saugte ihn bis zum letzten Tropfen leer…
***
Der Unbekannte hatte mich in dieser Nacht weder in einen Park noch in eine Kneipe bestellt. Ich hockte auch nicht in einem Restaurant, ich befand mich im Freien und saß auf einer
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