0874 - Das Tier
Auge zu, denn es gab durchaus Priester, die positive Ansätze sahen, wenn junge Menschen zusammenkamen und versuchten, sich zu besinnen, auch wenn ihre Wege mehr als ungewöhnlich waren.
Die neue Veränderung war zudem nicht nur auf London beschränkt. In den Staaten hatte sie ihren Ursprung gehabt und war über den großen Teich geschwappt. So hatte sie sich in den Großstätten Europas ausbreiten können. Das war schon mit einem Lauffeuer zu vergleichen.
Es gab keine Gewalt, zumindest hatten wir oder andere Kollegen nichts davon erfahren. Trotzdem waren wir auf die Szene aufmerksam geworden, denn es ging um Johnny Conolly, auf den ein Schulkamerad eine Mordversuch verübt hatte, wonach beide, Marty Stone und auch Johnny Conolly, nicht mehr aufzufinden waren.
Die Spur hatte zu der Szene-Disco »Limelight« geführt. Hier sollte sich Marty an den Abenden aufgehalten haben, hier war er bekannt, und wir gingen davon aus, ihm auch an diesem Abend in der Disco zu finden. Vielleicht konnte er uns auf Johnnys Spur bringen.
Hoffnung, mehr nicht, aber immerhin etwas, denn Johnnys Verschwinden war rätselhaft gewesen.
Schon im Vorraum erlebten wir etwas von dieser anderen, für uns fremden Welt. Wir hörten die Choräle aus dem Hauptraum der Disco dringen, wir sahen die mit dunklem Stoff bespannten Wände, wir sahen auch die so unecht gekleideten Gestalten und hatten den Eindruck, in einem Raum zu stehen, der zu einem Kloster gehörte.
Jemand trat auf uns zu. Es war komisch gewesen. Dicht nach unserem Eintritt waren uns die lebenden Personen im Vorraum für einen Moment wie erstarrt vorgekommen, was sicherlich an uns lag, denn wir paßten von der Kleidung her wahrhaftig nicht in diese Szenerie.
Jemand kam auf uns zu. Ein Mann Mitte Zwanzig. Er trug eine glänzende schwarze Kutte und hob uns die Arme wie zum Gebet entgegen. »Bitte, einen Moment!«
Wir blieben stehen.
Auch er rührte sich nicht mehr und schaute etwas unsicher von einem zum anderen. Sicherlich überlegte er, was wir hier zu suchen hatten, und auch Sheilas Anwesenheit irritierte ihn. Wir ließen ihm Zeit. Er suchte nach Worten, bis Sheilas Geduldsfaden riß.
»Was ist jetzt?«
»Pardon, aber ich sehe, daß Sie nicht zu uns gehören.«
»Stimmt, Meister. Sollen wir uns Kutten überstreifen?«
»Damit wäre es nicht getan, Madam«, erwiderte der junge Mann höflich. »Damit wäre es wirklich nicht getan. Ihnen fehlt die innere Einstellung, das ist sicher.«
»Ah, so ist das.«
»Ja, leider.«
»Ich denke schon, daß wir sie haben.«
»Es ist ein Club, Madam.«
Sheila war in Form. Wenn es um ihren Sohn ging, konnte sie zu einer zweibeinigen Löwin werden.
Sie trat noch näher an den Knaben heran, an dessen Ohrläppchen goldene Kreuze baumelten, tippte ihm gegen die Brust und lächelte kalt. »Was Sie uns sagen, das interessiert uns nicht die Bohne. Wir werden in diese Disco gehen, und Sie werden uns nicht daran hindern. Haben Sie verstanden?«
»Es ist ein Club.« Er hatte es versucht, aber seine Worte klangen nicht überzeugend.
»Dann werden wir uns den Club genauer anschauen.«
»Sie sind kein Mitglied, Sie…«
Sheila streckte den Arm aus. Sie legte die flache Hand gegen die Brust des Kerls und schob ihn zurück. In der nahen Umgebung standen drei Zuschauer die nicht eingriffen, und auch der Knabe im glänzenden Gewand wehrte sich nicht mehr.
Er drückte sich zur Seite und wollte dorthin, wo ein Garderobenständer stand. In der Nähe befand sich auch ein Telefon. Suko ließ ihn so weit nicht kommen. Er holte ihn an der Schulter zurück, kümmerte sich nicht um den Fluch, sondern zeigte ihm die Legitimation.
»Reicht das?«
Der Knabe staunte. »Polizei?«
»Gut, daß Sie lesen können.«
Der Knabe war schon bleich genug. Er wurde nicht bleicher, sein Gesicht bekam eine gewisse Röte.
»Aber wir haben nichts getan. Wir sind sauber. Es gibt hier keine Drogen und…«
»Das wissen wir, Meister. Deshalb haben Sie auch nichts zu befürchten. Wir werden auch schnell wieder verschwunden sein, wenn wir gefunden haben, was wir suchen.«
Der Mann nickte.
»Bis später«, sagte Suko lächelnd und ließ ihn stehen.
Die beiden Conollys hatten vor dem eigentlichen Raum gewartet. Der Zugang war durch einen dunklen Vorhang verdeckt, der sich in der Mitte teilen ließ.
»Das wurde auch Zeit!« flüsterte Sheila.
Ich lächelte. »Keine Sorge, wir schaffen es.«
»Hoffentlich.«
Sie war es auch, die den Vorhang teilte. Die Musik nahm an
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