0886 - Der U-Bahn-Schreck
tödlichen Gefahrenquelle weg und erlebte noch mitten in der Bewegung das Ende der magischen Zeitleere.
Plötzlich war wieder alles wie sonst. Die Menschen bewegten sich weiter. Andere, die sich darüber gewundert hatten, daß sie so viele plötzlich nichts mehr taten, konnten sich an gewisse Dinge kaum noch erinnern, aber sie sahen wie Suko das Mädchen abstellte, das ihn aus großen Augen ins Gesicht schaute und wohl nicht begriff, was mit ihm geschehen war.
Suko lächelte der Kleinen zu, kam wieder hoch, und dabei gefror das Lächeln auf seinem Gesicht.
Jetzt wurde er ernst.
Das böse war da, das Böse mußte vernichtet werden und…
Jemand schrie auf. Dann wirbelte ein Körper auf den Inspektor zu. Er wollte ausweichen, stellte im letzten Moment fest, daß es Sarah Goldwyn war, die von Lucy Travers einen harten Stoß versetzt bekommen hatte, und Suko fing die alte Freundin auf.
Lucy brauchte freie Bahn.
Und die hatten sie bekommen.
Bevor sie irgend jemand daran hindern konnte, war sie zur Seite getaucht und zwischen die Neugierigen geraten. Sie kümmerte sich auch nicht um zwei Polizisten, sie rannte weiter und sprang auf die Gleise. Sie war so schnell, daß auch zugreifende Hände es nicht schafften, sie festzuhalten. Dabei gab sie wütende Schreie ab, schlug auf einen jungen Mann ein, der sie festhalten wollte, und hatte plötzlich die Tunnelröhre erreicht, in die sie eintauchte.
Dann war sie weg.
Suko war nicht dazu gekommen, die Verfolgung aufzunehmen. Er hatte Lady Sarah wieder auf die Beine gestellt, und natürlich lagen ihm zahlreiche Fragen auf der Zunge.
»Du mußt sie kriegen, Suko!«
»Keine Sorge, das packen wir schon.«
»Nein, du!« Sarah hielt Suko fest und schüttelte ihn. »Die anderen wissen ja nicht, was mit ihr los ist.«
»Es reicht, daß wir es wissen!« sagte jemand.
Sarah drehte sich um.
John Sinclair sprang soeben aus dem Zug.
***
Ich will es vorwegnehmen. Lucy Travers hatte das allgemeine Durcheinander ausnutzen können und war verschwunden. Sie blieb es zunächst auch, obwohl sofort alle Ausgänge abgeriegelt wurden.
Lucy war verschwunden. Und sie hatte einen Toten hinterlassen. Der junge Mann im Wagen lebte nicht mehr.
Als Lady Sarah dies erfuhr, nickte sie. Wir sahen Tränen in ihren Augen glitzern, aber sie riß sich zusammen, damit sie uns einen Bericht über ihre Erlebnisse geben konnten. »Es war das kalte Grauen, John, und ich kam mir verdammt allein vor, obwohl der Wagen mit Menschen - Kindern - vollgestopft war. Kannst du dir vorstellen, wie das ist, wenn sich zwischen diesen unschuldigen Wesen ein Zombie oder was auch immer aufhält?«
»Ich weiß, daß es schlimm war.«
»Und fast ist es gutgegangen«, murmelte die Horror-Oma. »Jetzt möchte ich nur wissen, wie ihr hierhergekommen seid.«
»Das ist eine ziemlich lange Geschichte, Sarah.« Ich blickte Suko an.
»Willst du sie ihr erzählen?«
»Warum ich?«
»Weil ich einen Bekannten gesehen habe.«
Das stimmte auch. Ich kannte den Mann in seiner blauen Uniform. Es war ein Polizeioffizier, dessen Gesicht nicht eben freundlich aussah, als er mich sah.
»John Sinclair«, sagte er, »wo Sie sich aufhalten, ist das Grauen nicht weit.«
»Jetzt ist es verschwunden, Dean.«
»Und?«
»Haben Ihre Leute die Umgebung abgeriegelt?«
Captain Dean Summer nickte. »So gut wie möglich. Aber der Vorsprung ist wahrscheinlich zu groß. Sagen Sie mal, diese flüchtige Person ist tatsächlich eine Frau?«
»Ja.«
»Weiter.«
»Was wollen Sie denn hören?«
Dean Summers Urlaubsgesicht zeigte plötzlich einen gequälten Ausdruck. »Mann, das wissen Sie genau. Sie haben es bei Ihren Fällen doch oft mit Monstern zu tun, sage ich mal.«
»Stimmt.«
»Und in diesem Fall?«
»War es auch so.«
Summer grinste bissig. »Also halten wir nicht nach einer Frau Ausschau?«
»Richtig.«
»Was ist sie dann?«
»Ich weiß es noch nicht, und das ist keine Ausrede. Es kann so etwas wie ein zombiehaftes Geschöpf sein, aber sicher ist das auch nicht.«
»Lebende Leiche, Sinclair?«
»So ähnlich.«
»Scheiße.«
Daß er sofort akzeptierte, was hier vorgefallen war, bewies mir auch, daß Männer wie Dean Summer dazugelernt hatten. Sie lachten mich nicht mehr aus, wenn ich ihnen so etwas vorsetzte. Es hatte sich auch beim Yard herumgesprochen, daß es Dinge gab, die man nicht so einfach in irgendwelche Schubladen stecken konnte.
»Wie tötet man eine lebende Leiche, Sinclair?«
»Sie gar nicht. - Ich sehe mich
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