0886 - Der U-Bahn-Schreck
fluchte.
Ich hörte nicht auf ihn, denn ich war neben Lucys Kopf auf die Knie gefallen und hatte meine Beretta gezogen. Sarah lag auf dem künstlichen Geschöpf, sie konnte sich nicht mehr wehren, ihr Gesicht hatte einen so erschreckenden Ausdruck angenommen, daß in mir die kalte Angst um sie hochstieg.
Ich setzte die Waffe an.
Die Mündung preßte ich genau zwischen die Augen des Monstrums, das ja kein Mensch mehr war.
Dann drückte ich ab.
Ich hatte genau in diesem Moment die Augen geschlossen, konnte einfach nicht hinschauen, und als ich die Augen wieder öffnete, da sah der Kopf anders aus.
Er war halb zerrissen, er lag auf der Seite, die Kugel steckte in ihm und glühte wie heißes Eisen.
Suko zerrte Lady Sarah weg. Ich lauschte meinem eigenen Stöhnen, während wieder eine Sirene heulte und die ersten Uniformierten erschienen. Keine Lucy Travers würde mehr durch die U-Bahn-Stationen schleichen, um Terror zu verbreiten. Sie war endgültig vernichtet, und diesmal hatte es eine einfache Silberkugel geschafft.
Ich erhob mich.
Menschen starrten mich an. Sie sahen, daß Suko unsere Freundin Sarah auf den Armen liegen hatte und wegbrachte, und sie sahen mich zu einer Stelle hingehen, wo jemand verschwunden war.
Es mußte ein fürchterlicher Tod für Maria gewesen sein. Was von ihr übriggeblieben war, wollte ich mir nicht anschauen. Mir reichte der dicke Blutfleck auf dem Wagen…
***
Der Krankenwagen stand direkt an der nach unten führenden Treppe der Station. Das Licht auf dem Dach drehte sich in einer gespenstischen Lautlosigkeit, und mir zitterten schon die Beine, als ich auf den Wagen zuging. Da würde ich erfahren, wie es um Sarah Goldwyn stand. Ihren letzten Gesichtsausdruck hatte ich noch in guter Erinnerung. Er war für mich deprimierend gewesen.
Tot oder…?
Die hintere Tür wurde aufgedrückt. Von mir und auch von zahlreichen Neugierigen gesehen, verließ Suko den Krankenwagen. Er schloß die Tür, schaute mich an und entdeckte die verzweifelte Frage in meinen Augen.
Er lächelte.
Das rotierende Licht auf dem Wagendach blendete mich etwas, deshalb drehte ich den Kopf zur Seite. »Sie lebt?«
»Ja. Und sie wird auch weiterhin leben, wenn sie aus ihrer Bewußtlosigkeit erwacht ist.«
Mir fiel ein Stein vom Herzen, den Suko sogar poltern hören mußte.
»Das ist es aber nicht gewesen - oder?« fragte er mich.
»Stimmt. Wir haben das Produkt vernichten können, aber wir kennen den Hersteller nicht.«
Der Inspektor schaute in den dunklen Himmel über der Stadt. »Es will mir überhaupt nicht gefallen, daß sich hier jemand herumtreibt, der sich als Doktor Frankenstein fühlt. Sein erster Versuch ist fehlgeschlagen. Wann müssen wir mit einem zweiten rechnen?«
»Hoffentlich nicht so bald.«
»Jedenfalls haben wir keine Spur.«
Das stimmte, und es ärgerte mich. Mir taten auch die Menschen leid, die gestorben waren. Wie gern hätten wir Maria gerettet, diese kleine, so ungemein sympathische Frau.
Doch sie war tot. Wir hatten wieder einmal erkennen müssen, daß mit dem Schicksal kein ewiger Bund zu flechten war. Das machte immer, was es wollte.
Vielleicht war das Leben auch deshalb so spannend…
ENDE
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