0886 - Todesjagd
erstaunt in einem seltsam hohlen Tonfall und schüttelte den Kopf. Dann stieß sie vorwurfsvoll aus: »Du bist doch tot!«
Um Gottes Willen, nein , dachte Silvana. Geht das schon wieder los?
Angelique hatte zwei Brüder, und Maurice war einer von ihnen gewesen. Nur lebte er schon seit 13 Jahren nicht mehr. Lucifuge Rofocale, der Ministerpräsident Satans, und damit die Nummer eins in der Höllenhierarchie, hatte Maurice auf der Suche nach dem Amulett seines Bruders Yves ermordet.
Obwohl Maurice Contergangeschädigt und damit behindert war, hatte er die Freude am Leben nicht verloren. Seine Füße befanden sich unmittelbar an den Hüften; deshalb war er Rollstuhlfahrer. Wenn er daheim war, hatte er für den Haushalt gesorgt, so gut er konnte, ansonsten besuchte er ein College. Er hatte sehr an seiner elf Jahre jüngeren Schwester gehangen. Maurice war ein schwarzhaariger Mischling mit weißem Aussehen. Er war besonders intuitiv gewesen, dazu ein Logiker und hatte nichts von Zauberei gehalten.
»Warum sagst du nichts, Maurice?«, hauchte Angelique. »Antworte mir doch…«
Und dann sah sie wieder die furchtbaren Bilder von damals, vom schrecklichsten Tag ihres Lebens. Lucifuge Rofocale war Anfang Juni des Jahres 1995 in ihre kleine Kellerwohnung eingedrungen und hatte sie und Maurice bedroht…
Angelique versuchte instinktiv, sich aus dem Griff des Dämons zu befreien. Der Herr der Hölle schleuderte sie mit einer schnellen Drehung von seiner Schulter. Das Mädchen flog aufschreiend durch die Luft, über den Tisch, vor dem Maurice saß, und rutschte gegen ihn. Ihr Schwung riss ihn mitsamt dem Rollstuhl um. Er stürzte, fiel aus dem Stuhl. Angelique versuchte sich aufzurichten und ihm zu helfen. Aus weit aufgerissenen Augen starrte sie Lucifuge Rofocale an.
Ihr Bruder Maurice, auf dem Boden kauernd winzig klein und hilflos, hob eine Hand. »Wer auch immer du bist und wie du dich nennst, unsauberer Geist«, sagte er. »Du hast kein recht, hier zu sein. Geh zurück in dein Reich. Ich befehle es dir im Namen des Vaters, des Sohnes und des…«
Lucifuge Rofocale brüllte und übertönte Maurices Worte. Aus seinem aufgerissenen Maul strömte eine Feuerflut. Maurice schrie auf und verstummte. Das Feuer hatte seine Augenbrauen versengt; Brandblasen bildeten sich auf seiner Haut. Trotz seiner Schmerzen schwieg er verbissen. Er tastete nach der Pistole, ließ es aber wieder. Was konnte er schon mit einer normalen Waffe gegen den Teufel selbst ausrichten?
»Das Amulett«, erinnerte Lucifuge Rofocale. »Ich habe keine Lust, mich in sinnloser Engelsgeduld zu üben!« Funken sprühten aus seinen Augen und Nüstern. Zwischen seinen Klauenfingern glühte etwas in düsterem Rot.
»Gib es mir, Menschlein, oder jener stirbt!«
Maurices Augen wurden groß. Längst schon hatte er begriffen, dass dies alles andere als ein Spaß war. Der Tod war in ihr Haus gekommen und würde es nicht wieder verlassen, ohne mindestens ein Opfer genommen zu haben.
»Das ist sinnlos«, keuchte Angelique. »Töte ihn nicht. Ich habe das Amulett nicht! Es ist nicht hier!«
Lucifuge Rofocale wob mit beiden Händen ein magisches Geflecht. Diesmal verließ er sich nicht auf seine Amulette, sondern wurde selbst aktiv. Maurice Cascal schrie. Angelique sprang auf, warf sich dem Dämon entgegen und wurde zurückgeschleudert. »Nein!«, schrie sie. »Nein, nein…!«
Aus brennenden Augen, von Entsetzen geschüttelt, starrte sie Maurice an.
Er schrie nicht mehr.
Niemals wieder…
Und dann war ihr zweiter Bruder erschienen, um ihr zu helfen. Yves, der Mann, der von allen nur Ombré , der Schatten, genannt wurde. Er besaß das sechste von Merlins Amuletten, jenes, aus dem das magische Geschöpf Shirona entstammte.
Es war grausame Ironie des Schicksals gewesen, dass Yves jahrelang vergeblich versuchte, sein Amulett loszuwerden. Es war immer wieder zu ihm zurückgekehrt. Und ausgerechnet dieses Amulett wollte der Herr der Hölle besitzen.
Angelique zitterte in panischer Furcht. Es war keine Angst um sich selbst. Aber sie sah Yves, und sie fürchtete um sein Leben. Maurice war schon tot, und der Satan würde auch Yves gnadenlos ermorden, wenn es seinem Ziel diente!
Yves befand sich im Griff des Dämons.
Er konnte sich nicht dagegen wehren. Im gleichen Moment, als er in der Tür aufgetaucht war und sowohl der Dämon als auch Angelique ihn sahen, hatte der Geflügelte zugegriffen. Und er wollte Yves ermorden, wie er Maurice ermordet hatte, wenn Angelique
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