089 - Lebende Leichen
geflüchtet war, dann war er bei Nacht kaum zu finden.
Larry wollte zögernd umkehren, als er seinen Namen rufen hörte. » Brent! «
Die Stimme kam von irgendwoher zwischen den Steinhügeln. Es war eine hohe Männerstimme. War sie verstellt? Larry konnte es im Augenblick nicht sagen. Und wieder rief die Stimme seinen Namen. Das Echo hallte von den Steinen wider.
» Brent! «
Der Amerikaner schwieg. Nach einigen Sekunden der Stille rief die Stimme zum dritten Mal.
» Brent, hören Sie mich? «
X-RAY-3 legte seine beiden Hände wie ein Trichter um seinen Mund und rief gegen die nächtliche Felswand: » Ich höre Sie! «
Stille.
Dann wieder die Stimme. » Lassen Sie mich in Ruhe sterben! «
Larry Brent antwortete nicht. Fieberhaft versuchte er festzustellen, woher die Stimme kam.
Umsonst!
Wieder die geisterhafte Stimme. » Ich bin der letzte, der wieder erwachen wird! Ich verspreche es Ihnen, der letzte! «
» Verstecken Sie sich nicht! Ich kenne Sie! « rief Larry zurück.
Keine Antwort.
» Ich kenne Sie! Wo sind Sie? « Larry lauschte. Minutenlang. Alles blieb still. Da sprang er auf die nächsten Steine und ließ den Schein seiner Taschenlampe über die grauen Felsen vor ihm streichen. Es war vergeblich, nachts hier jemand zu finden.
So leise wie möglich stieg Larry Brent von den Felsen herab und ging vorsichtig Schritt für Schritt rückwärts aus dem Wald. Vielleicht sah oder hörte er doch noch etwas. Aber nur die Zweige unter seinen Füßen knackten, und die Finsternis verschlang wieder die Felsen vor ihm.
Was machte der Weißhaarige in dem Wald, der bereits zur Heunenburg gehörte?
Als sich Larry Brent seinem Wagen näherte, hörte er auf der Straße von Moolstadt einen anderen Wagen sich nähern. Es mußte ein schwerer Lastwagen sein, der offenbar ein erhebliches Tempo hatte.
Larry Brent stieg ein. Hinter ihm leuchteten Scheinwerfer auf und kamen rasch näher.
» Ich will ihn vorbeilassen « , sagte sich der PSA-Agent, die Hand an der Kupplung. Er wandte den Kopf halb zur Seite.
Der Lastwagen donnerte an ihm vorbei. Es war ein breiter, offener Wagen.
Auf ihm standen dichtgedrängt einige Dutzend Menschen. Einen von ihnen erkannte er in der Sekunde des Vorbeifahrens. Es war der Wirt vom Einhorn.
Siedendheiß wurde Larry klar, daß sie zur Heunenburg fuhren. Der Wagen war schon ein ganzes Stück vor ihm. Er sah gerade noch das rote Schlußlicht.
Larry Brent ließ seinen Motor aufheulen und startete blitzschnell.
Er mußte dem Lastwagen unbedingt zuvorkommen. Aber wenn dieser erst mal auf die schmale Seitenstraße eingebogen war, kam er nie mehr an ihm vorbei. Und es war nicht mehr weit bis dorthin.
Larry Brent gab Vollgas. Sein Tacho sprang rasch auf 100, auf 120. Da war der Lastwagen wieder.
Der Lotus Europa fraß geradezu den Abstand. Im Doppellicht der Scheinwerfer erkannte Larry rechts vorn das helle Band der Seitenstraße. Der Wald lag bereits hinter ihnen.
Es ging um ein paar Dutzend Meter. Larry Brent drosselte das Tempo etwas. Er flog an dem Lastwagen in möglichst weitem Abstand vorbei, und sofort nach dem Überholen zog er in einem Bogen eine Rechtskurve.
Sein Wagen begann zu schlingern. Um Haaresbreite hätte er beinahe die Einfahrt in die schmale Seitenstraße verfehlt.
Aber er schaffte es. Larry Brent hörte den Lastwagen hinter sich kreischend in die Kurve gehen. Sein Wagen war bereits vorn, und er flog geradezu die langgedehnten Windungen den Berg hinauf.
Im Rückspiegel sah er, daß der Lastwagen hoffnungslos zurückblieb. Jetzt hielt er sogar.
Zwei, drei Männer sprangen ab und liefen zum Straßenrand. Dann verschwand das Bild hinter ihm in einer weiten Kurve.
Das Tor zum Schloßhof stand offen, die Zugbrücke war unten. Schon vor dem Tor gab Larry Brent kurze Hupzeichen.
Ein Fenster öffnete sich im ersten Stock. Kurt Parsini erschien.
» Ich bin es! « rief Larry Brent hinauf. » Komm ’ sofort herunter! Wir müssen das Tor schließen. Du sagtest, daß die Zugbrücke noch funktioniert? «
» Ja, wenn du mir dabei hilfst. «
» Natürlich, aber schnell! «
In einiger Entfernung hörte Larry Brent den Lastwagen in die Kurven gehen.
Kurt Parsini stürzte aus dem Haus. Ohne ein Wort zu sagen, eilte er zum Tor. Larry Brent faßte mit an. Die Flügel schlossen sich, Kurt Parsini legte den breiten Riegel vor.
Dann öffnete er einen kastenähnlichen Anbau an der linken Mauerseite und wies auf eine gewaltige eiserne Kurbel. Er beseitigte ihre Sperre, und sie
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