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0068 - Wir holten sie vom Schiff

0068 - Wir holten sie vom Schiff

Titel: 0068 - Wir holten sie vom Schiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wir holten sie vom Schiff
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Das Haus mit der Nummer 1264 in der 98. Straße West war ein sechsstöckiges Mietshaus aus dem Ende der zwanziger Jahre.
    Wahrscheinlich hatte man es kurz vor dem Ausbruch der Wirtschaftskrise gebaut. Es hatte alle Geschmacklosigkeiten der damaligen Zeit, außerdem bröckelte der Verputz ab, und schmutzig war es auch.
    Vom Bürgersteig her führte eine ausgetretene Steintreppe mit neun Stufen hinauf zur Haustür. Rechts und links war ein handgeschmiedetes Geländer, auf dem fingerdicke Rostfladen hingen. Als wir vor dem Haus hielten, hockte ein Halbwüchsiger von knapp achtzehn Jahren mit Bürstenfrisur, enger Nietenhose und buntem Baumwollhemd auf der Mitte der Treppe und blätterte in einem Skandalmagazin, von dem vernünftige Leute nicht einmal das Titelblatt ansehen.
    Ich stoppte den Jaguar hart an der Bordsteinkante und stieg aus. Auf der anderen Seite kletterte mein Freund Phil Decker aus dem Wagen und knallte die Tür hinter sich zu.
    »Unser Gewährsmann sagte, sie hätte bei einer Mrs. Vanderland gewohnt«, murmelte Phil. »Also suchen wir erst einmal diese Mrs. Vanderland.«
    Ich nickte stumm.
    Wir gingen auf die Treppe zu. Als uns der Halbwüchsige kommen sah, streckte er die Beine auseinander, sodass sie die Treppe versperrten. Wir stiegen die Stufen soweit hinauf, bis wir genau vor seinen Beinen standen.
    Ich sah ihn schweigend an. Er erwiderte meinen Blick mit einem frechen Grinsen.
    »Wo wollt ihr hin?«, fragte er.
    Phil lehnte sich ans Geländer und begann zu pfeifen. Er pfiff sehr laut, aber entsetzlich falsch. Ich griff ganz langsam in meine Hosentasche und zog meine Zigaretten heraus. Ich schüttelte das Päckchen so, daß ein paar Stäbchen zur Hälfte heraussahen.
    »Zigarette?« fragte ich mit ruhiger Stimme und hielt dem Halbwüchsigen das Päckchen hin.
    Er stutzte. Dann griff er nach den Zigaretten, ohne den Weg freizugeben.
    Ich zog das Päckchen zurück und griff mit der anderen Hand sein Handgelenk. Ein leichter Druck mit dem Daumen an der richtigen Stelle — und der Halbwüchsige sprang mit schmerzverzerrtem Gesicht hoch.
    »Vielen Dank, Kleiner, daß du den Weg freimachst«, sagte ich und ging mit Phil an dem jungen Burschen vorbei.
    »Ihr verdammten Halunken!« fluchte er hinter uns her. »Ihr meint wohl, ihr hättet die Straße hier für euch gepachtet, was? Weil ihr zwei seid, könnt ihr’s mit mir machen, hey? Fühlt euch wohl sehr stark, ihr gelackten Affen, wie?«
    Wir reagierten überhaupt nicht auf sein Geschimpfe, sondern sahen uns suchend in dem düsteren Hausflur um. Drei Wohnungstüren führten vom Korridor ab.
    Die beiden auf der linken Seite waren durch Namensschilder gekennzeichnet, die dritte Tür war kahl und verriet nichts über den Wohnungsinhaber. Wir gingen über eine knarrende Holztreppe hinauf in den ersten Stock, denn einen Lift gab es in dieser alten Bude natürlich nicht.
    Auf das Schild mit dem Namen Vanderland stießen wir jedoch erst in der vierten Etage. Auf der linken Seite der doppelflügeligen Wohnungstür war ein Stück vergilbte Pappe an das Holz geheftet, auf dem in kindlicher Druckschrift der Name stand. Ich suchte in der Düsternis des Treppenhauses nach dem Klingelknopf, fand ihn schließlich und drückte ihn nieder.
    Hinter der Tür wurde ein schrilles Klingeln laut. Trotzdem musste ich noch zweimal den Knopf niederdrücken, bevor wir schlurfende Schritte hörten. Die Tür ging einen Spalt auf und eine Wolke von billigem Fusel flog mir entgegen. Eine Reibeisenstimme quarrte durch den Spalt: »Geben Sie sich keine Mühe. Ich kaufe bestimmt nichts.«
    »Sie sollen auch gar nichts kaufen«, sagte ich in das Ungewisse des dunklen Türspalts hinein. »Wir möchten Mrs. Vanderland sprechen.«
    »Was wollen Sie denn von ihr?«
    »Das möchten wir ihr gern selbst sagen.«
    »Dann tun Sie’s doch endlich! Ich bin Mrs. Vanderland.«
    Schöne Bescherung, dachte ich. Es spricht sich selten gut mit Frauen, die dem Alkohol verfallen sind. Man weiß bei ihnen nie, was sie wirklich erlebt und gesehen haben und was sie sich nur in ihren Räuschen eingeredet haben.
    »Machen Sie auf«, sagte ich. »Und beantworten Sie uns einige Fragen.«
    Eine Weile war nur ihr schnaufendes Atmen zu vernehmen, dann fauchte sie plötzlich: »Ich habe keine Zeit.«
    Ich zückte rasch einen Fünfdollar-Schein und wedelte verheißungsvoll damit.
    »Geben Sie her!«, krächzte das Reibeisen, und eine quallige Hand schoss gierig wie der Arm eines hungrigen Kraken heraus.
    Ich zog

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