0892 - Jagd durch die Zeit
Körper. Ohne Erfolg. Zunehmend wütender wich sie einem Flammenjünger aus, der maskenlos, mit weit aufgerissenen Augen auf sie zu taumelte. Weil sie nichts anderes tun konnte, schoss sie weiter. Auch sie wartete auf das FLAMMENSCHWERT, von dem sie ein Teil war, an das sie sich aber nach dem Einsatz nicht mehr erinnern konnte.
Merlins Stern »dachte« gar nicht daran, das FLAMMENSCHWERT zu bilden. Er tat etwas völlig anderes. Etwas, das weder Zamorra noch Nicole bisher gesehen hatten.
***
14. Juli 1680, Wien
Bruder Franziskus umarmte Abraham a Sancta Clara. »Meine Zeit ist nunmehr gekommen, Freund. Ich muss wieder nach Maulbronn zurückkehren. Aber ich kann es freudigen Herzens tun, denn wir haben gemeinsam mit dem dämonischen Gezücht aufgeräumt. Weder Labartu noch die Hexe Theresia Maria von Waldstein werden jemals wiederkehren.«
Abraham zerdrückte eine kleine Träne. »Gute Reise, mein Freund. Gott beschütze dich auf all deinen gefahrvollen Wegen. Ich hoffe, wir sehen uns in diesem Leben noch einmal wieder.«
Der Zisterzienser stieg auf seinen Rappen und ritt aus dem Stadttor hinaus. Er warf keinen Blick in die so arg gebeutelte Stadt zurück, der der Schwarze Tod fast achtzigtausend Seelen abgerungen hatte. In der Leopoldstadt, durch die er nun ritt, wurden noch immer Tote aus Häusern geborgen und verbrannt. Bestialischer Gestank stieg zum Himmel. Franziskus war froh, dass er wegkam.
In einem Wald nahe Wiens scheute sein Rappe plötzlich. Der Mönch konnte das seitliche Ausbrechen des Pferdes gerade noch verhindern. Vier bleiche Männer in seltsamer schwarzer Kleidung standen wie hingezaubert zwischen den Bäumen. Sie starrten den Mönch an.
»Was wollt ihr?«, fragte Franziskus ohne Furcht. »Einen Zisterzienser überfallen? Was sollte euch das bringen? Ich trage schließlich nichts außer meinem Gewand auf dem Leib.«
Die Bleichen erwiderten nichts. Stattdessen löste einer eine seltsame Waffe vom Gürtel. Er zog sie blitzschnell hoch und richtete sie auf Franziskus. Ein blassroter Strahl löste sich aus der Mündung, ein fauchendes Geräusch ertönte. Franziskus schrie. Der Strahl fuhr knapp an seiner Hüfte vorbei und schlug in ein schwarzes Etwas, das dadurch aus seiner Unsichtbarkeit gerissen wurde. Es strampelte und verbrannte in einem grellen Feuerball.
Dann schleuderte einer der Bleichen ein schimmerndes Netz. Es senkte sich über den verblüfften Mönch, der nicht mehr ausweichen konnte.
Gleich darauf schrie er. Sein Körper zuckte unkontrolliert. Auch sein Pferd wieherte, stieg und brach dann zusammen. Franziskus wusste nicht, was Strom war. Trotzdem wurde er von Stromschlägen, die seine Körperenergie überluden, lahmgelegt. Aber so, dass er das Bewusstsein nicht verlor. Die Bleichen wickelten ihn in einen Teppich, luden ihn auf einen pferdebespannten Wagen und transportierten ihn auf heimlichen Wegen in die Hofburg zurück. Dort fand er sich in einem Gewölbe wieder, in dem es noch mehr der Bleichen gab. Irgendwie sahen sie alle gleich aus. Allerlei Apparaturen, die er nicht verstand, standen herum. Und überall bemerkte er blaue, funkelnde Steine in allen Größen. Auch tief schwarze waren darunter. Hatte er nicht einen ähnlichen Stein bei der Kaiserin-Witwe gesehen? Es sah aus wie im Laboratorium eines irren Alchimisten.
Franziskus wurde auf eine Liege geschnallt, so eng, dass er sich nicht mehr bewegen konnte. Ein Mann, der zu schlafen schien, wurde neben ihn geschoben. Auch er war auf eine Liege geschnallt. Der Mönch glaubte, ihn schon einmal gesehen zu haben, konnte sich aber nicht erinnern.
Ein Bleicher trat zwischen sie. Er legte je einen schwarzen Stein auf die Stirnen der Gefangenen. Dazwischen schwebte ein etwas kleinerer, blauer Stein. Ja, er schwebte! In einem bläulichen Flimmern, das alle drei Steine umschloss!
Was weiter geschah, bekam Bruder Franziskus nicht mehr mit. Er spürte einen furchtbaren Schmerz, der ihm den Schädel zu zerreißen drohte. Sein Schrei war so schrill, dass es ihm fast die Stimmbänder zerriss. Dann sank er in eine gnädige Ohnmacht.
***
Gegenwart, Zisterzienser-Abtei Orval, Belgien
Bruder Claudius saß in seiner bescheiden eingerichteten Zelle. Im Schein einiger flackernder Kerzen hatte er sich über einen mächtigen, uralten, in Rindsleder eingebundenen Folianten gebeugt, der vor ihm auf dem Tisch lag, und studierte die Worte darin. Da es sich um Handschriften handelte, waren sie zum Teil fast nicht zu entziffern, aber er machte
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