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09 - Befehl von oben

09 - Befehl von oben

Titel: 09 - Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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gescholtene Präsident.
*
    Dem Protokollbüro des White House stand eine Dame namens Judy Simmons vor, die vier Monate zuvor vom State Department zum White House abkommandiert worden war. In ihrem Büro im Erdgeschoß ging es seit kurz nach Mitternacht, als sie von zu Hause in Burke, Virginia, angekommen war, heiß her. Ihr undankbares Pensum war die Vorbereitung für das wohl größte Staatsbegräbnis in der Geschichte Amerikas, eine Aufgabe, zu der ihr schon über hundert Leute kluge Ratschläge erteilt hatten, und es war noch nicht mal Mittag.
    Die Liste der Toten mußte erst zusammengestellt werden, doch anhand der Videobänder ließ sich weitgehend feststellen, wer im Plenarsaal gewesen war, und von allen gab es genügend persönliche Informationen - verheiratet oder ledig, Religion etc. -, aus denen sich erste, nötige Schritte ableiten ließen. Was immer entschieden wurde, Jack war in dieser grausigen Sache Zeremonienmeister und mußte über jeden Schritt der Vorbereitungen auf dem laufenden gehalten werden. Ein Begräbnis für Tausende, dachte Ryan, von denen er die meisten gar nicht kannte und von denen viele, deren Leichen noch nicht einmal alle geborgen waren, Frauen oder Männer und Kinder hinterließen.
    »National Cathedral«, las er beim Umblättern. Es mußte ungefähr ermittelt werden, wie viele welcher Religion angehörten. Davon hing ab, wie die einzelnen Funktionen im ökumenischen Gottesdienst besetzt wurden.
    »Dort finden solche Zeremonien gewöhnlich statt, Mr. President«, bestätigte die stark belastete Beamtin. »Aber der Platz dort wird nicht genügen für die sterblichen Überreste aller Toten.« - Sie sagte nicht, daß jemand vom White-House-Stab vorschlug, den Trauergottesdienst im RFKStadion abzuhalten, um allen Opfern Platz zu bieten. - »Für die des Präsidenten und von Mrs. Durling wird es aber auf jeden Fall reichen, und eine repräsentative Auswahl der Abgeordneten. Mit den Regierungen von elf Ländern haben wir Kontakt aufgenommen zur Frage der Diplomaten, die im Capitol waren. Wir haben auch eine vorläufige Liste von Vertretern ausländischer Regierungen, die an der Zeremonie teilnehmen wollen.« Auch dieses Blatt reichte sie ihm.
    Ryan warf darauf einen raschen Blick. Es bedeutete, daß er am Rand der Trauerfeier Gelegenheit zu >informellen< Gesprächen mit etlichen Staatschefs haben würde. Auf jede dieser Begegnungen mußte er sich vorbereiten; neben dem, was sie ihn fragen oder von ihm wünschen würden, würde jeder von ihnen sich ein Bild von ihm machen wollen.
    Überall auf der Welt würden jetzt Präsidenten, Ministerpräsidenten und die paar überdauernden Diktatoren eigene Dossiers über ihn lesen - wer ist dieser John Patrick Ryan, und was ist von ihm zu erwarten? Er fragte sich, ob sie wohl eine bessere Antwort hätten als er. Vermutlich nicht.
    Und so würden etliche von ihnen mit Regierungsmaschinen herfliegen, teils um Präsident Durling und der amerikanischen Regierung Ehre zu erweisen, teils um den neuen amerikanischen Präsidenten aus nächster Nähe kennenzulernen, teils zur Stützung der Politik zu Hause und teils, weil es so von ihnen erwartet wurde. Und somit wäre dieses Ereignis, so schrecklich es für Unzählige auch sein mochte, in der Welt der Politik auch nur eine Pflichtübung. Aber was konnte man tun? Die Toten waren tot, und all sein Schmerz brachte sie nicht wieder zurück, und das Leben in seinem Land ging ebenso weiter wie anderswo.
    »Lassen Sie Scott Adler das durchgehen.« Jemand mußte festlegen, wieviel Zeit er sich für jeden der Besucher nehmen konnte.
»Jawohl, Mr. President.«
»Was für Reden werde ich zu halten haben?« fragte Jack.
»Unsere Leute arbeiten bereits daran. Bis morgen nachmittag haben Sie vorläufige Entwürfe«, antwortete Mrs. Simmons.
Präsident Ryan nickte und legte die Papiere beiseite. Als die Protokollchefin gegangen war, kam eine Sekretärin - wie diese Dame hieß, wußte er nicht - mit einem Stoß Telegramme herein, teils die, die er in der Kaserne nicht mehr geschafft hatte, und mit einem weiteren Blatt, dem Terminplan für den Tag, der ohne seine Angaben oder Mitwirkung erstellt worden war. Er wollte schon zu murren anfangen, doch sie kam ihm zuvor.
»Wir haben über zehntausend Telegramme und E-Mails erhalten - aus der Bevölkerung«, teilte sie ihm mit.
»Und die besagen?«
»Hauptsächlich, daß man für Sie betet.«
»Ach.« Das war auch eine Art Überraschung - eine zurechtweisende.
Ob Gott aber

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